Neues Antibiotikum treibt Bakterien in den Selbstmord

Neue Hoffnung im Kampf gegen multiresistente Bakterien: Ein Team unter Federführung von Forschern der Universitäten Bonn, Düsseldorf und Newcastle hat die Wirkweise eines neuen Antibiotikums entschlüsselt, das selbst multiresistente Keime wie MRSA únd Streptokokken tötet.

Veröffentlicht:
Eine Bakterienkultur: Die Acyldepsipeptide können die strikte Kontrolle der ClpP-Protease von Bakterien außer Kraft setzen.

Eine Bakterienkultur: Die Acyldepsipeptide können die strikte Kontrolle der ClpP-Protease von Bakterien außer Kraft setzen.

© picprofi / fotolia.com

BONN (eb). Während herkömmliche Antibiotika normalerweise bestimmte Reaktionen in Bakterienzellen hemmen, greifen die neuen Substanzen - die Acyldepsipeptide (ADEPs) - an einer ganz anderen Schlüsselstelle in den Stoffwechsel der Bakterien ein. Sie führen zu einer Fehlsteuerung eines wichtigen Enzyms.

"Diese ClpP-Protease bewirkt normalerweise das Recycling von defekten Proteinen des Bakteriums, welches ein ganz strikt kontrollierter Prozess ist", wird Professor Brötz-Oesterhelt aus Düsseldorf in einer Mitteilung der Universität Bonn zitiert.

ADEPs setzen Kontrolle der ClpP-Protease außer Kraft

Die ADEPs setzten diese strikte Kontrolle der ClpP-Protease außer Kraft, wodurch auch bestimmte gesunde Proteine abgebaut würden, so Dr. Peter Sass aus Bonn.

Die Bakterien begingen regelrecht Selbstmord, da die eigene ClpP-Protease ein für die Zellteilung wichtiges Eiweißmolekül, das FtsZ-Protein, zerschneidet und "verdaut". Dadurch gerate die normale Steuerung außer Rand und Band, die Zellteilung und dadurch die Vermehrung der Erreger werde verhindert, so Sass.

Antibiotika wirkt gegen MRSA und auch Streptokokken

Das neue Antibiotikum wirke nicht nur gegen den multiresistenten Erreger Staphylococcus aureus (MRSA), sondern auch gegen Streptokokken, die zum Beispiel Mittelohr-, Lungen- oder Hirnhautentzündungen auslösen können, so die Forscher.

Außerdem stoppt es die Vermehrung von Enterokokken, die etwa für Harnwegsinfekte, Blutvergiftung oder Endokarditis verantwortlich gemacht werden (PNAS 2011; online 3. Oktober).

Noch im Stadium der Grundlagenforschung

Die ADEPs befinden sich zurzeit noch im Stadium der Grundlagenforschung, wie Brötz-Oesterhelt sagt. Die Forscher sehen in diesen Substanzen aber noch mehr als ein neues Antibiotikum zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionskrankheiten.

Da sie gegen die Bakterien mit Hilfe eines neuen Mechanismus wirken, können sie auch helfen, die Lebensweise der Bakterien besser zu verstehen. "Wir müssen wissen, wie pathogene Bakterien ticken, damit wir sie erfolgreich bekämpfen können", wird Sass zitiert.

Das FtsZ-Protein wurde markiert

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Untersuchungen eine auf ihrem Forschungsgebiet neue Methode aus der Grundlagenforschung. Sass machte am Zentrum für Bakterielle Zellbiologie an der Universität Newcastle in England mit einem extrem hoch auflösenden Fluoreszenzmikroskop Aufnahmen von Bakterien.

"Wir markierten das FtsZ-Protein und viele weitere Proteine in den Bakterien mit einem grün fluoreszierenden Farbstoff und machten dann Echtzeitaufnahmen von den mit ADEPs behandelten und auch von unbehandelten Erregern", berichtet Sass.

Durch diesen Vergleich konnten die Forscher beobachten, was im Stoffwechsel der gefährlichen Bakterien anders lief, wenn sie mit dem neuartigen Antibiotikum behandelt waren.

Nach der Gabe von ADEP seien im Bakterium wichtige Proteine nicht mehr zu der Stelle im Stoffwechsel gelangt, wo sie für die Zellteilung gebraucht würden, so Brötz-Oesterhelt.

Mehr zum Thema

Studie am Heidelberger Trainingsmodell

Welcher Knotentyp hält bei laparoskopischer Naht am besten?

5 Kriterien der Charité

ME/CFS-Diagnose: So gehen Sie in der Hausarztpraxis vor

Überraschender Fund

Erstmals wieder Polio-Wildviren im Abwasser nachgewiesen

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Abb. 1: Phenylketonurie – Phenylalanin-Zielwerte und Monitoring während der Lebensphasen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2, 3]

Enzymersatztherapie der Phenylketonurie

Pegvaliase: anhaltendes Ansprechen, flexiblere Ernährung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: BioMarin Deutschland GmbH, Kronberg am Taunus
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Red Flags

Rückenschmerz: Wer muss sofort ins MRT?

Große Fall-Kontroll-Studie

Demenz: Offenbar erhöhte Mortalität mit Benzodiazepintherapie

Lesetipps
Vier mittelalte Frauen laufen gemeinsam über eine Wiese und lachen.

© Monkey Business / stock.adobe.com

Wechseljahre

5 Mythen rund um die Perimenopause: Eine Gynäkologin klärt auf

Makro-Nahaufnahme eines Auges mit okulärer Rosazea.

© Audrius Merfeldas / stock.adobe.com

Schwere Komplikationen möglich

Augen-Rosazea: Erst sind’s die Lider, später auch die Hornhaut