Ohne Antibiotika

Scharlach ist immer noch gefährlich

Kinder mit Scharlach haben dank Antibiotika eine gute Prognose, Todesfälle durch die Krankheit gibt es praktisch nicht mehr. Allerdings braucht es eine ausreichende antiinfektive Therapie - sonst drohen Folgekrankheiten.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Typische Himbeerzunge bei Scharlach.

Typische Himbeerzunge bei Scharlach.

© Dr. Hans Schulz, Bergkamen

NEU-ISENBURG. Scharlach zählt heute noch zu den häufigsten Infektionskrankheiten bei Kindern. Mindestens 50.000 Menschen erkranken nach Angaben der Stiftung Kindergesundheit jährlich in Deutschland an typischem Scharlach.

Nach einer aktuellen Statistik der Barmer GEK wird in einem Jahr bei 6,27 Prozent aller Kinder, die jünger als fünf Jahre sind, Scharlach diagnostiziert.

Scharlach ist eine Sonderform der Streptokokken-A-Infektion und wird von Streptococcus pyogenes verursacht.

Die Erreger erzeugen eine große Anzahl von extrazellulären Produkten, von denen man annimmt, dass sie eine Bedeutung für die lokale und systemische Toxizität besitzen und die Ausbreitung der Infektion im Gewebe erleichtern, so das Robert Koch-Institut in seinem Ärztemerkblatt zu der Krankheit. Pyrogene Exotoxine verursachen dabei das makulöse Exanthem beim Scharlach.

Betroffene Kinder produzieren Antikörper gegen die Toxine, sodass sie anschließend gegen Scharlach immun sind. Mittel der Wahl ist Penicillin.

Sollte das Antibiotikum nicht anschlagen oder nicht gut vertragen werden, kann zum Beispiel auf orale Cephalosporine ausgewichen werden.

Eltern muss eingeschärft werden, dass das verordnete Antibiotikum ausreichend lange gegeben wird, also in den meisten Fällen zehn Tage lang, betont Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.

Mit Hilfe der Penicillin-Behandlung geht es dem Kind zwar schon nach 24 bis spätestens 48 Stunden wieder gut. Das Verschwinden der Beschwerden bedeutet aber nicht, dass damit auch die Erreger eliminiert sind.

Risiken oft unterschätzt

Die Behandlungsdauer von zehn Tagen ist notwendig, um alle Bakterien abzutöten. Bleiben Reste im Organismus, könnte es zu Rezidiven kommen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Erreger Resistenzen entwickeln.

In Ausnahmen kann Penicillin auch in einer einzigen Injektion verabreicht werden. Diese Spritze in den Muskel ist jedoch schmerzhaft und wird Kindern nur ungern zugemutet. Penicillin beeinträchtigt übrigens nicht die Fähigkeit des Organismus, gegen die Scharlacherreger Antikörper zu bilden.

Das Risiko von Scharlach wird heute oft unterschätzt. Durch die gute Prognose bei Antibiotikatherapie gerät zunehmend in Vergessenheit, welche gefährlichen Folgen die Krankheit haben kann.

Einige Eltern lehnen daher eine Antibiotikabehandlung ab. Zum Nachteil der Patienten, meint die Stiftung Kindergesundheit. Die Keime können zu Komplikationen wie Otitis media, Sinusitis, Lymphdrüsen-Schwellungen und Rachenmandel-Abszessen führen.

Gefürchtet sind die Folgekrankheiten von Scharlach: Mit drei bis fünf Wochen Verzögerung nach der Infektion kann rheumatisches Fieber auftreten. Es führt zu Gelenkveränderungen mit Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen.

Ein hohes Risiko besteht beim sogenannten Scharlachherz, eine Entzündung von Herzmuskel und Endokard, manchmal auch der Herzklappen. Auch akute Nierenentzündungen sind möglich.

Kita- und Schulverbot

"Eine übertriebene Angst vor Antibiotika ist deshalb gerade bei dieser Krankheit völlig unangebracht", betont Koletzko.

Bevor es Antibiotika gab, wurden scharlachkranke Kinder sechs Wochen lang völlig isoliert. Die Wohnung musste gründlich desinfiziert werden, ebenfalls alle Gegenstände, die das kranke Kind benutzt hat.

Bücher und Spielsachen mussten verbrannt werden. Heute ist ein mit Penicillin behandeltes Kind dagegen schon am Tag nach Behandlungsbeginn nicht mehr ansteckend. Wenn es sich wieder wohl fühlt, kann es meist schon nach wenigen Tagen wieder in den Kindergarten oder zur Schule.

Im Ärztemerkblatt des RKI heißt es dazu: "Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann bei einer Antibiotikatherapie und ohne Krankheitszeichen ab dem zweiten Tag erfolgen, ansonsten nach Abklingen der Krankheitssymptome. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich."

Scharlachkranke Kinder ohne Penicillinbehandlung gelten dagegen drei Wochen lang als "infektiös".

Nach Paragraph 34 des Infektionsschutzgesetzes IfSG dürfen sie die Kita oder die Schule so lange nicht besuchen, "bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist". Das ist erst nach etwa drei Wochen der Fall.

www.kindergesundheit.de Ärztemerkblatt Scharlach: www.rki.de, Infektionskrankheiten A-Z

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