Streptomyces

Mikrobe des Jahres rettet viele Menschenleben

Eine vielseitige Bakteriengattung ist "Mikrobe des Jahres": Streptomyces. Im Ökosystem sind die Keime wichtig zur Humusbildung. Ihre Wirkstoffe retten viele Menschenleben.

Veröffentlicht:
Die Mikrobe des Jahres ist ein vielseitiger Nützling.

Die Mikrobe des Jahres ist ein vielseitiger Nützling.

© Schrempf

FRANKFURT/MAIN. Um über die Bedeutung von Mikroorganismen für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft aufzuklären, küren Mikrobiologen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) seit 2014 jährlich die "Mikrobe des Jahres".

Jetzt haben sie hierzu Streptomyceten zur "Mikrobe des Jahres 2016" ausgewählt.

Die vielseitigen Bakterien leben in nahezu allen Böden, berichtet die VAAM in einer Mitteilung. Sie bilden ein Geflecht (Mycel) aus langen, sich verzweigenden Zellen (Hyphen). So wuchern sie zwischen Erdpartikeln, Pflanzenwurzeln und den ihnen ähnlichen Pilzhyphen. Bei Nährstoffmangel entwickelt Streptomyces Lufthyphen und schließlich daraus wie auf einer Perlenschnur angeordnet Sporen.

In diesen Dauerformen bleibt das Erbgut der Bakterien auch bei widrigen Bedingungen erhalten. Bei Wärme, Feuchte und guten Nährstoffbedingungen keimen die Sporen aus und bilden neue Hyphen. Sie verströmen dabei den typischen Geruch von frischem Waldboden.

Recycling toter Organismen

Streptomyceten scheiden viele Enzyme aus und bauen damit komplexe Substanzen ab, beispielsweise schwer spaltbare Stoffe wie Cellulose aus Holz oder Chitin von Insektenpanzern und Pilzen. Die entstehenden kleineren Nährstoffe dienen den Streptomyceten als Nahrung.

So sorgen diese Bakterien für das Recycling von Pflanzenfasern und Resten abgestorbener Organismen. Auch im Darm von Regenwürmern, Termiten und anderen Lebewesen bauen Streptomyceten schwer verdauliche Stoffe ab.

Die Vielfalt der Streptomyceten trägt wesentlich zum ökologischen Stoffkreislauf bei sowie zur Bildung von Kompost und Humus, betont die VAAM. Zudem scheiden die Bakterien komplexe, oft auffällig gefärbte Moleküle aus, die für unsere Gesundheit von großer Bedeutung sein können.

Arzneimittelproduzent

Entdeckungen von Wirkstoffen aus Streptomyces wurde bereits zwei Mal mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. Der US-Mikrobiologe Selman Abraham Waksman von der Rutgers University bekam 1952 für Streptomycin den Preis. Es handelte sich damals um das erste gegen Tuberkulose wirksame Antibiotikum. Mitentdecker des Wirkstoffs war dabei Waksmans Doktorand Albert Schatz.

William Campbell (USA) und Satoshi Omura (Japan) haben aus dem Keim den Wirkstoff Avermectin isoliert. Das daraus entwickelte Ivermectin ist ein wirksames Mittel gegen Fadenwurm-Infektionen. Hierfür gab es 2015 den Medizin-Nobelpreis.

Die beiden Substanzen sind nicht die einzigen Arzneimittel aus Streptomyceten. Mehrere Tausend sehr unterschiedliche organische Moleküle sind bekannt. Sie stimulieren das Wachstum von Pflanzen, wirken als Antibiotika, Fungizide oder Antiparasitika. Einige beeinflussen auch das Immunsystem, oder sie verhindern als Zytostatika das Tumorwachstum.

Bis heute ist Streptomyces mit rund 70 Prozent der erfolgreichste Lieferant antibiotischer Wirkstoffe, die therapeutisch eingesetzt werden können, betont die VAAM. Aktuelle Studien lassen vermuten, dass noch viele bislang unbekannte Wirksubstanzen aus Streptomyceten in den nächsten Jahren entdeckt oder entwickelt werden könnten.

Die VAAM als Mutterorganisation der "Mikrobe des Jahres" vertritt über 3500 mikrobiologisch orientierte Wissenschaftler aus Forschung und Industrie.

Die Bandbreite der Forschung reicht dabei von Bakterien, Archaeen und Pilzen in Ökosystemen und Lebensmitteln über Krankheitserreger bis hin zu Genomanalysen und industrieller Nutzung von Mikroben und ihrer Enzyme. (eb/eis)

Weitere Informationen unter www.mikrobe-des-jahres.de

Mehr zum Thema

Weltmalaria-Tag

Invasive Malariamücke bedroht afrikanische Städte

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen