Deutschland stöhnt unter der Grippewelle - Patienten brauchen frühe spezifische Therapie

In ganz Deutschland ist die Zahl der Patienten mit akuten Atemwegsinfekten stark erhöht, ein großer Teil der Betroffenen hat Influenza. Impfungen können noch nachgeholt werden. Bei Erkrankten wird zur Therapie mit Neuraminidasehemmern geraten.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Fast ganz Deutschland ist stark am husten.

Fast ganz Deutschland ist stark am husten.

© Foto: AGI

Die Erkältungswelle hat jetzt ganz Deutschland erfasst. Nachdem in den vergangenen Wochen vor allem der Norden und Osten der Republik betroffen waren, sind jetzt auch im Süden die Raten akuter Atemwegsinfektionen deutlich gestiegen und liegen auf einem stark erhöhten Niveau. Das meldet die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Und bei etwa zwei Drittel der Stichproben von Patienten mit typischen Grippesymptomen wurden vergangene Woche Influenzaviren nachgewiesen. Sehr früh in der Saison hat sich bei uns also schon eine Grippewelle aufgebaut.

Ob die Krankheitswelle dieses Jahr besonders schwer werden wird, ist noch nicht absehbar. Es gibt aber einige Fakten, die dafür sprechen könnten. So ist die Influenza-Saison vergangenen Winter sehr schwach verlaufen, und auf eine milde Saison folgt häufig eine schwere. Zudem ist der dominierende Virusstamm in diesem Jahr vom A/H3N2-Subtyp. Diese Subtypen haben in der Vergangenheit immer wieder starke Grippewellen mit schweren Erkrankungen hervorgerufen: so zum Beispiel im Winter 1995/96, als nach Schätzungen etwa 30 000 Menschen während der Grippewelle gestorben sind.

Was ist zu tun? Grippe gehört weiter zu den Infektionskrankheiten in Deutschland mit der höchsten Sterberate. Es trifft vor allem alte Menschen sowie chronisch Kranke, und zwar besonders Diabetiker und Patienten mit Herz-Kreislauf- oder Lungenleiden. So schätzt das RKI, dass in den Wintern zwischen 2001/02 und 2006/07 etwa 31 000 über 60-Jährige an Influenza gestorben sind.

Schlagartiges Fieber und/oder ein schweres Krankheitsgefühl sprechen bei einer Atemwegsinfektion für Influenza.

Schlagartiges Fieber und/oder ein schweres Krankheitsgefühl sprechen bei einer Atemwegsinfektion für Influenza.

© Foto: Werner Stapelfeldtwww.fotolia.de

Auch jetzt noch wird deshalb in Deutschland allen Menschen mit erhöhtem Risiko geraten, die Grippe-Impfung gegebenenfalls nachzuholen. Dazu gehören außer über 60-Jährigen und chronisch Kranken auch Menschen mit erhöhten Infektionsrisiken wie Verkäufer, Lehrer, Polizisten und natürlich auch Menschen in medizinischen Berufen. Der Impfschutz baut sich jedoch erst binnen 10 bis 14 Tagen auf. Auch ist zu bedenken, dass sich Patienten bei einem Impftermin im Wartezimmer mit Influenza anstecken könnten. Eine Sicherheitsmaßnahme könnte daher eine spezielle Impfsprechstunde sein.

Haben Patienten bereits typische Grippe-Symptome, sind Komplikationen wie Pneumonie oder Herzmuskelschädigung unbedingt zu vermeiden. Eine wichtige Option dabei ist die "frühzeitige ursächliche Behandlung einer Grippe durch spezifische Medikamente", betont Professor Tom Schaberg vom wissenschaftlichen Beirat der AGI. Empfehlungen zur antiviralen Therapie bei Influenza haben die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie und die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) zusammengestellt (Chemotherapie Journal 12, 2003, 1). Danach sind die Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (RelenzaTM) zur Therapie bei Patienten mit Influenza A und B indiziert:

  • wenn klinisch die Diagnose einer Influenza gestellt wird und
  • in der Region Influenzaviren zirkulieren oder Influenzaviren labordiagnostisch (Schnelltest) nachgewiesen werden und
  • der Krankheitsbeginn nicht länger als 48 Stunden zurückliegt.

Wird klinisch die Diagnose Influenza gestellt und häufen sich Influenza-ähnliche Infekte in der Region, lässt sich mit 70 bis 80 Prozent Trefferquote eine Influenza von anderen Atemwegsinfekten abgrenzen, bei:

  • schlagartigem Fieber und/oder schwerem Krankheitsgefühl und
  • mindestens zwei der Symptome Gliederschmerzen, Kopfschmerzen sowie Husten und Abgeschlagenheit.

Indiziert ist die antivirale Therapie besonders in den Risikogruppen sowie bei Kindern und Erwachsenen mit Kontakt zu Risikopatienten. Der Behandlungserfolg ist um so besser je früher mit der Therapie begonnen wird. Die Virustatika werden zur Therapie über fünf Tage angewandt. Nicht antiviral behandelt werden sollten immunkompetente Patienten ohne Fieber.

Für ungeimpfte Personen werden die Neuraminidasehemmer zudem nach engem Kontakt mit Influenza-Kranken binnen 48 Stunden zur Prophylaxe empfohlen.

http://influenza.rki.de/

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