Influenza

Zellprotein als Ansatz für neue Arzneien

Ein internationales Team mit Forschern des Paul-Ehrlich-Instituts hat eine neue Zielstruktur für die Entwicklung von Arzneimitteln gegen Influenza entdeckt. Genutzt wird dabei ein Protein aus menschlichen Zellen.

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LANGEN. Jährlich erkranken in Deutschland zwei bis zehn Millionen Menschen an Influenza. Die meisten zirkulierenden Erreger sind dabei Influenza-A-Viren. Weil sich die Viren schnell genetisch verändern, müssen die Impfstoffe jedes Jahr an die zirkulierenden Viren angepasst werden.

Auch werden antivirale Medikamente benötigt, um Erkrankte zu behandeln sowie eine Option bei Asubrüchen mit neu auftretenden (Grippe-)Viren zu haben, insbesondere bei einer Pandemie. Inzwischen sind viele Influenza-A-Viren bereits gegen die verfügbaren antiviralen Medikamente resistent.

Ein Ansatz auf dem Weg zu neuen wirksamen Medikamenten gegen Viren ist der Angriff auf die Interaktion zwischen dem Virus und seinem Wirt (das heißt den befallenen menschlichen Zellen). Denn Viren nutzen für ihre Vermehrung und Verbreitung Zellproteine des Menschen, berichtet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in einer Mitteilung.

Über eine Blockade der Interaktion des Virus mit den Zellproteinen könnte die Virusvermehrung ausgebremst und dadurch die Grippe erfolgreich therapiert werden. Die genauen Prozesse der Interaktion des Influenza-A-Virus mit den menschlichen Zellen sind aber bisher nicht vollständig aufgeklärt.

Befunde unterschiedlich bewertet?

Es gibt dazu zwar weltweit umfangreiches Datenmaterial. Die Befunde wurden aber bisher scheinbar unterschiedlich bewertet.

Vier internationale Arbeitsgruppen - darunter Forscher um Dr. Renate König am PEI - haben jetzt in einem Großprojekt durch Kombination aufwendiger genomischer sowie proteomischer Datenanalysen, eine Art biochemische Landkarte essenzieller Interaktionen zwischen Influenza-A-Viren und Wirtszellen erstellt (Cell Host Microbe 2015; 18: 723-735).

Mit der "Landkarte" haben die Forscher ein Protein in menschlichen Zellen identifiziert, das für das Abschnüren der Viren von der Zellmembran ("Budding"), den Erreger-Austritt aus der Zelle und die Verbreitung in und außerhalb des Körpers erforderlich ist.

Dieses "Ubiquitin protein ligase E3 component n-recognin 4" (UBR4) werde vom Virus vermutlich ausgeliehen, um mit dessen enzymatischer Funktion einen im Detail noch nicht bekannten Schutzmechanismus des Menschen auszuschalten.

Transport zur Zellmembran im Fokus

Der Mechanismus degradiere virale Proteine und unterbinde damit den Transport von viralem Protein zur Zellmembran. Influenza-A-Viren erkaufen sich nach diesem Modell mit UBR4 eine sichere Passage zur Zellmembran.

Als Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Arzneimittel gegen das Influenza-A-Virus soll nun der Schutzmechanismus der menschlichen Zellen verstärkt werden.

"Ein Vorteil von Wirkstoffen, die auf zelluläre Proteine einwirken, die für das Virus essenziell sind, ist die Tatsache, dass sich das Genom des Menschen nicht ständig verändert, sodass Wirkstoffe auch langfristig eine Wirksamkeit zeigen dürften", so König in der Mitteilung.

Ein weiterer Vorteil: Medikamente mit zellulären Proteinen als Zielstrukturen sind möglicherweise gegen verschiedene Viren wirksam, die sich des gleichen Proteinapparates des Menschen bedienen.

Natürlich dürfen dabei essenzielle Zellfunktionen nicht gestört werden. Und schließlich besitzen zelluläre Proteine als Zielstrukturen das Potenzial, die Wirksamkeit von Impfstoffen zu verstärken. (eb)

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