Der Impfstoff ist bereit, die ersten Chargen sind freigegeben. Doch bevor die bundesweiten Impfungen gegen H1N1 beginnen, ist es jetzt nochmals zu einer Diskussion über den gewählten Impfstoff gekommen.

Von Ingrid Kreutz, Rebecca Beerheide und Hauke Gerlof

Die "Schuhschachteln", die vom kommenden Montag an voraussichtlich aus dem Serumwerk von GlaxoSmithKline (GSK) in Dresden ausgeliefert werden, haben es in sich. "Shoebox" nennt GSK die kleinen Schachteln, die den Impfstoff gegen Schweinegrippe enthalten. 500 Impfdosen je Schachtel, 120 000 Impfdosen je Euro-Palette, 33 Paletten passen in einen Lkw. "Wir haben die Produktion darauf ausgelegt, dass der Impfstoff für eine Massenimpfung verwendbar ist", erläutert Anke Helten von GSK.

Die Platz sparende Produktionsweise bringt allerdings den Impfstellen einiges an Mehrarbeit: Der Impfstoff wird nicht fertig in Spritzen geliefert, vielmehr sind das Virus-Antigen und das Adjuvanssystem in unterschiedlichen Flaschen gelagert, die in der Arztpraxis oder in anderen Impfstellen dann zusammengemischt und gut durchgeschüttelt und dann innerhalb von 24 Stunden verimpft werden müssen. Je zwei Flaschen ergeben zehn Impfdosen.

Der Impfstoff Pandemrix® wird je in zwei Fläschchen geliefert: Antigen und Adjuvans werden in der Arztpraxis gemischt.

Der Impfstoff Pandemrix® wird je in zwei Fläschchen geliefert: Antigen und Adjuvans werden in der Arztpraxis gemischt.

© Foto: GSK

Die Entscheidung für einen Impfstoff mit Adjuvans sei gefallen, weil damit die Menge des Antigens für mehr Impfdosen reiche. Helten: "Wir haben so geplant, dass wir möglichst viele Menschen weltweit gegen das Virus impfen können." Außerdem werde mit dem Adjuvans eine Immunantwort hervorgerufen, die auch Varianten des H1N1-Virus abdecken könne, so Helten.

Für Wirbel sorgte zu Beginn der Woche die Meldung, dass die Bundeswehr den Impfstoff beim US-Hersteller Baxter bestellt hat, und nicht bei GSK. Einzelne Impfexperten äußerten daraufhin die Ansicht, dass die Entscheidung für Pandemrix® falsch sein könnte, etwa weil die Verträglichkeit nicht so gut sei wie bei anderen Impfstoffen.

Bisher haben drei Impfstoffe die EU-Zulassung erhalten. Dabei sei eines klar: "Alle drei Impfstoffe erfüllen die Kriterien, die das Arzneimittelgesetz und die europäische Gesetzgebung an einen solchen Impfstoff stellen", sagte Dr. Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zur "Ärzte Zeitung". Jeder der drei Impfstoffe sei daraufhin untersucht worden, ob er die geforderte Wirksamkeit, Verträglichkeit und Qualität hat, etwa was ihre Reinheit betrifft.

Ganzvirusimpfstoffe enthalten "Verstärker"

Nicht-adjuvantierte Ganzvirusimpfstoffe wie der von der Bundeswehr bestellte Impfstoff Celvapan® haben laut Stöcker sozusagen einen "Verstärker" integriert. Dadurch könnten solche Vakzinen das Immunsystem viel stärker ansprechen als ein hochgereinigter Spaltimpfstoff wie Pandemrix® oder ein Untereinheiten-Impfstoff wie Focetria®. Erhalten Spalt- oder Untereinheiten-Impfstoffe wie die beiden Schweinegrippenimpfstoffe jedoch ein Adjuvans, können sie mindestens die gleiche Wirksamkeit erreichen wie ein Ganzvirusimpfstoff.

Was die Verträglichkeit der verschiedenen Impfstoffe betrifft, sagte Stöcker: "Ganzvirusimpfstoffe sind stärker immunogen als nicht-adjuvantierte Spalt- oder Untereinheiten-Impfstoffe, haben allerdings auch stärkere unerwünschte Wirkungen. Erhält ein Spalt- oder Untereinheitenimpfstoff ein Adjuvans, um wirksamer zu sein, dann ist er dem Ganzvirusimpfstoff ähnlich bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit." Die unerwünschten Wirkungen liegen nach Angaben der PEI-Sprecherin aber alle im Rahmen des üblichen Spektrums an Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Unwohlsein und Lokalreaktionen. Stöcker wies darauf hin, dass Adjuvantien biologischen Ursprungs sind.

Die Entscheidung der Bundeswehr für den anderen Impfstoff hat sozusagen historische Ursachen. Die Bundeswehr hat für die Versorgung der Truppe eine sogenannte Eigenvollzugskompetenz und kann unabhängig von Länder- und Bundeskompetenzen Verträge schließen.

Vorverträge aus Zeiten der Vogelgrippe

"Die Bundeswehr hat noch aus der Zeit der Vogelgrippe Vorverträge mit Baxter über einen Grippeimpfstoff geschlossen", sagte Oberstleutnant Peter Fuss zur "Ärzte Zeitung". Der Presseoffizier erklärte, dass Baxter zusichert, der Bundeswehr die Impfstoffe im Pandemiefall rechtzeitig zu liefern.

Bei der Schweinegrippe werden nun die Soldaten geimpft, die sich im Auslandseinsatz befinden. Derzeit sind etwa 7300 Soldaten im Ausland eingesetzt, die gleiche Anzahl bereitet sich für einen künftigen Einsatz vor. Etwa 600 Mitarbeiter im Sanitätsdienst, darunter auch Sanitätsoffiziere, werden ebenfalls geimpft. Laut Sprecher Fuss halte die Bundeswehr genügend Impfstoff für die Truppe vor.

Pandemrix® - ein Impfstoff in zwei Flaschen

Der Impfstoff Pandemrix® gegen die Schweinegrippe/H1N1 wird nicht wie viele andere Impfstoffe in Einzeldosen ausgeliefert, sondern in Fläschchen, getrennt nach Adjuvans und Antigen. Bei Auslieferung von Einzeldosen wären etwa zehnfache Transportkapazitäten benötigt worden, heißt es bei GSK.

Ein Fläschchen enthält jeweils für zehn Impfdosen Adjuvans (gelbe Flasche) beziehungsweise Antigen (lila-blau). Der Impfstoff muss ständig gekühlt werden bei einer Temperatur von zwei bis acht Grad Celsius. In Apotheken oder anderen Verteilstellen können aus den 500-er Schachteln die Fläschchen ausgeeinzelt werden und dann an Arztpraxen oder andere Impfstellen ausgeliefert werden. Dort wird der Inhalt in der großen Flasche vermischt und gut durchgeschüttelt. Die Impfungen - je 0,5 Milliliter Impfstoff - müssen dann innerhalb von 24 Stunden erfolgen. (ger)

Lesen Sie dazu auch: Politiker und Experten verteidigen Wahl des Schweinegrippe-Impfstoffs

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