Bei Borreliose-Verdacht führen Antikörpertests oft in die Irre

Borreliose ist eine der häufigsten falsch diagnostizierten Krankheiten. Experten raten, nur bei dringendem Verdacht serologisch auf Borreliose zu testen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Gegen Borrelien haben große Bevölkerungsteile Antikörper.

Gegen Borrelien haben große Bevölkerungsteile Antikörper.

© Foto: Novartis Behring

Bei Patienten mit Borreliose sind praktisch immer Antikörper im Serum nachweisbar. Bei früher Borreliose sind das IgM-Antikörper. Nach etwa vier bis sechs Wochen folgen dann IgG-Antikörper. "Patienten ohne IgG-Antikörper gibt es bei längerfristigen Verläufen so gut wie gar nicht", sagte Professor Andreas Krause von der Rheumaklinik Wannsee.

Das Problem: Auch in der gesunden Bevölkerung haben viele Menschen IgG-Antikörper gegen Borrelien im Blut. Die Durchseuchung ist unterschiedlich hoch. In Berlin liege sie bei etwa zwölf Prozent, so Krause beim 33. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer. Die Folge: Wer bei unspezifischen Symptomen einen Borreliose-Test mache, könne auch würfeln, weil der positive Vorhersagewert allenfalls 50 Prozent erreiche, so der Experte.

Wichtig sei deswegen bei Patienten mit arthritischen Beschwerden eine genaue differenzialdiagnostische Abklärung. "Zu den Differenzialdiagnosen gehören die Gicht, die rheumatoide Arthritis, die Psoriasis, andere Gelenkinfektionen und auch chronisch-entzündliche Darmerkrankungen", so Krause. Erst wenn alles andere ausgeschlossen wurde, sollte bei Lyme-typischen Gelenkbeschwerden ein Borreliose-Test gemacht werden. "Typisch" ist dabei die Mono- oder Oligoarthritis der großen Gelenke. Entzündliche Rückenschmerzen sowie unspezifische (Gelenk-)Beschwerden sprächen dagegen nicht für Borreliose und damit gegen einen Borreliose-Test.

Auch für Patienten mit unklaren neurologischen Symptomen empfahl Professor Sebastian Rauer von der Neurologischen Klinik der Universität Freiburg ebenfalls ein selektives Vorgehen beim Borreliose-Test. "Bei Fatigue-Symptomatik, bei Polyneuropathie, bei Demenzsymptomen sowie bei Fibromyalgie-artigen Beschwerden würde ich generell keinen Borreliose-Test machen", so Rauer.

Die Symptomatik der echten Neuroborreliose, die dann mit einem Test bestätigt werden sollte, sei dagegen sehr typisch. Es komme vier bis sechs Wochen nach Zeckenstich zu brennenden, reißenden oder bohrenden nächtlichen Schmerzen in den Wurzelsegmenten der Spinalnerven, die schlecht auf konventionelle Analgetika ansprächen. Parallel dazu oder etwas früher können neurologische Ausfälle auftreten, die bei sechs von zehn Patienten die Hirnnerven und hier meist den Nervus facialis betreffen. Bei chronischen Verläufen dominiere ein spastisch-ataktisches Gangbild. Auch Blasenstörungen und Hörstörungen kämen vor.

Beide Experten warnten bei der Borreliose-Diagnostik ausdrücklich vor dem Lymphozytentransformationstest (LTT), der erst kürzlich wieder in einer Sendung des WDR als eine definitive Diagnostik dargestellt wurde. Dieser Test sei vollkommen unstandardisiert, und die klinische Bedeutung eines positiven Testergebnisses sei völlig unklar.

Mehr zum Thema

Fallbeispiele

Diagnostik der Neuroborreliose: Der Liquor weist den Weg

Impfreaktionen vs. Impfkomplikationen

Impfen für ein gesundes Gehirn

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s

Geriatrische Syndrome

COPD bei älteren Patienten – darauf sollten Sie achten

Neue Skills dank Studium

Als Primary Care Managerin hält Desiree Reitmeier jetzt eigene Sprechstunden ab

Lesetipps
Im Krankenhaus wird der Patient unter Aufsicht eines Radiologen einer CT-Untersuchung unterzogen.

© Valerii Apetroaiei / stock.adobe.com

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen

Gruppe Senioren sitzt gemeinsam am Kaffeetisch im Aufenthaltsraum im Seniorenheim

© Robert Kneschke/Zoonar/picture alliance

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid wirkt nicht gegen Alzheimer