Krebsregister-Analyse

Krebspatienten in armen Regionen sterben eher

Krebspatienten, die in den ärmsten Regionen Deutschlands leben, haben schlechtere Überlebenschancen. Kritisch sind vor allem die ersten drei Monate nach der Diagnose. Das liegt nicht etwa daran, dass die Tumoren später erkannt würden.

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Deutliche Armut: In ärmeren Regionen der Republik sinken die Überlebenschancen für Krebspatienten.

Deutliche Armut: In ärmeren Regionen der Republik sinken die Überlebenschancen für Krebspatienten.

© Volker Gerstenberg / fotolia.com

HEIDELBERG. Der Befund ist eindeutig: "Krebspatienten in den sozial schwächsten Gegenden haben eine geringere relative Überlebensrate, besonders in den ersten drei Monaten nach der Diagnose, und dieses Ergebnis bleibt nach dem Abgleich bezüglich des Tumorstadiums bestehen", schreiben Lina Jansen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und ihre Kollegen in der Schlussfolgerung ihrer Studie (Int J Cancer 2013, online 2. Dezember).

Die Wissenschaftler hatten die Krebsregister-Daten von fast einer Million Patienten analysiert, die zwischen 1997 und 2006 an einer der 25 häufigsten Malignomarten (angeführt von Darm-, Brust- und Prostatakrebs) erkrankt waren. Die einbezogenen Register waren für insgesamt 32 Millionen Bürger zuständig, das sind 39 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung.

Anhand von Parametern wie dem steuerpflichtigen Einkommen pro Einwohner, der Arbeitslosenquote, dem Anteil ungelernter Personen und Unterschieden bei Einnahmen und Ausgaben der Kommunen wurden die Verwaltungsbezirke in Quintilen hinsichtlich ihres Wohlstands eingruppiert.

Danach betrug beispielsweise das zu versteuernde Jahreseinkommen im reichsten Fünftel der Bezirke im Schnitt 36.000 Euro und im ärmsten Fünftel 23.000 Euro.

Über die 25 Krebsdiagnosen hinweg ergab sich ein Sterblichkeitsüberschuss des ärmsten gegenüber den übrigen Fünfteln von 24 Prozent innerhalb der ersten drei Monate nach der Diagnose. In den folgenden neun Monaten erreichte der Überschuss noch 16 Prozent, in den vier Jahren darauf 8 Prozent. Die Ungleichheit blieb unter Einbezug des Tumorstadiums bestehen.

Ein Trend zu fortgeschrittenen Geschwülsten war in den ärmsten Regionen bei Leber-, Gallenblasen- und Prostatakrebs festzustellen. Nieren-, Blasen- und Weichteilkrebs wiesen hingegen in den reicheren Gegenden häufiger ein höheres Stadium auf.

Nach Stadien abgeglichen bestanden die größten Drei-Monats-Unterschiede bei Gallenblasenkrebs (Sterblichkeitsüberschuss 48 Prozent), Nierenkrebs (46 Prozent) und Leberkrebs (39 Prozent).

Für elf der 25 Tumorlokalisationen ergaben sich signifikante Differenzen im Fünf-Jahres-Überleben. Am deutlichsten war die Übersterblichkeit beim Melanom (+54 Prozent), Prostatakrebs (+48 Prozent) und Non-Hodgkin-Lymphom (+23 Prozent).

Diese Zahlen spiegeln nach Aussage der Forschergruppe weniger individuelle Merkmale der betroffenen Patienten wider. Vielmehr charakterisieren sie die untersuchten Regionen. So könnten die differierenden Sterberaten auch auf Faktoren wie geografische Abgeschiedenheit, die Entfernung von und dem Zugang zu spezialisierten Zentren zurückgehen.

Um die Resultate der Untersuchung auf die individuelle Ebene herunterzubrechen, wären weitere Studien nötig, in die Angaben zu Begleitkrankheiten, Tumorcharakteristika, zur Therapie und Compliance einfließen müssten.

Laut Jansen und Kollegen ließe sich mit diesen Informationen genauer untersuchen, aus welchen Gründen sich sozioökonomische Unterschiede auf das Überleben von Krebspatienten auswirken. (rb)

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