Mit 1000 Volt gegen Krebs

Elektrochemotherapie lässt Hauttumoren schrumpfen

Hochspannung in Kombination mit einer Chemotherapie bekommt Hauttumoren im Kopf- und Halsbereich nicht gut: Mehr als drei Viertel schrumpfen oder verschwinden ganz.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Mit Hochspannung können Ärzte Krebs bekämpfen. Die Idee: Zytostatika in die Zellen bringen.

Mit Hochspannung können Ärzte Krebs bekämpfen. Die Idee: Zytostatika in die Zellen bringen.

© valdezrl - Fotolia

PADUA/ITALIEN. Hauttumoren im Kopf- und Halsbereich stellen Chirurgen gelegentlich vor große Herausforderungen: Eine Operation ist nicht immer möglich, wenn Augen, Nase oder der Mundbereich betroffen ist, zum einen, weil diese Strukturen dabei irreparablen Schaden nehmen können, zum anderen, weil die Patienten von dem zu erwartenden kosmetischen Ergebnis nicht begeistert sind.

Ähnliche Überlegungen können auch zum Verzicht auf eine Radiochemotherapie führen. Es sind für solche kritischen Bereiche also dringend bessere Therapieverfahren nötig.

Seit einiger Zeit prüfen Ärzte die Elektrochemotherapie zur lokalen Tumorkontrolle. Die Idee dahinter: Werden Tumorzellen unter hohe Spannung gesetzt, begünstigt dies den Eintritt von Zytostatika in die Zellen (Elektroporation). Die Wirkung einer Chemotherapie lässt sich damit verbessern.

Das Verfahren hat den Vorteil, umliegendes Gewebe kaum zu schädigen. Studien ergaben Ansprechraten zwischen 70 und 80% bei gutem kosmetischem Ergebnis, berichten HNO-Ärzte um Dr. Giulia Bertino von der Universität in Padua.

Strompulse mit über 1000 Volt

Das Team um Bertino interessiert sich in einer eigenen Studie für den Nutzen des Verfahrens speziell im Kopf- und Halsbereich. Für ihre Studie konnten sie 105 Patienten gewinnen, die für eine Operation oder eine Radiochemotherapie nicht infrage kamen oder diese nicht wünschten.

Die Patienten hatten alle progrediente oder metastasierende Hauttumoren mit einem Mindestdurchmesser von 1 cm, bei knapp der Hälfte waren dies Plattenepithelzellkarzinome, ein Drittel hatte ein Basalzellkarzinom, zehn der Teilnehmer zeigten ein malignes Melanom.

Die Ärzte behandelten die Teilnehmer zunächst mit Bleomycin. Die Substanz wurde abhängig von der Tumorgröße und der Zahl der Läsionen entweder intratumoral oder intravenös appliziert. Anschließend legten die HNO-Spezialisten Nadeln oder Plattenelektroden an die Tumoren und jagten unter Lokal- oder Allgemeinanästhesie Strompulse mit 1000 bis 1300 Volt Spannung ins Gewebe.

Waren die Tumoren nach zwei Monaten nur partiell verschwunden, wurden die Teilnehmer erneut mit dem Verfahren behandelt. Dies war bei 18 Patienten der Fall. Zeigte die Therapie keine Wirkung, suchten die Ärzte nach anderen Methoden. Den Therapieerfolg beurteilten sie anhand der "Response Evaluation Criteria in Solid Tumors" (RECIST).

Bester Erfolg bei Basalzellkarzinomen

Danach war die Behandlung bei Patienten mit Basalzellkarzinom am erfolgreichsten: Hier verschwanden 31 von 34 Läsionen (91%) komplett, zwei sprachen partiell an und bei einer tat sich nichts. Eine komplette Remission wurde auch bei 55% der Plattenepithelzellkarzinome beobachtet, eine partielle Remission immerhin bei einem Viertel. Ähnliche Erfolgsraten waren bei den Patienten mit malignem Melanom zu beobachten: Fünf von neun Tumoren verschwanden komplett und zwei partiell.

Generell sprachen kleinere Tumoren (unter 3 cm) besser auf das Verfahren an als größere (88 versus 68%), auch zogen sich primäre Geschwulste eher zurück als sekundäre oder metastatische (70 versus 55%). Am besten sprachen zudem Tumoren an, die zuvor noch keine Radio- oder Chemotherapie erduldet hatten (78 versus 43%).

Im Laufe der einjährigen Nachbeobachtungszeit entwickelten 10 der 62 Patienten mit kompletter Remission ein Rezidiv im behandelten Areal, vier davon hatten ein Basalzell- und sechs ein Plattenepithelzellkarzinom. 76% aller Patienten waren nach einem Jahr noch am Leben. Von den Patienten mit Basalzellkarzinom hatten alle überlebt, von denen mit Plattenepithelzellkarzinom 64%, und 89% waren es bei den wenigen Melanomkranken.

Als Nebenwirkungen traten gehäuft Ulzerationen (bei 14 Patienten) sowie andere Formen von Hautreizungen und -veränderungen auf. Die Krustenbildung wurde als Teil des Heilungsprozesses betrachtet. Ein Patient mit einem großen ulzerierenden Tumor starb an einem septischen Schock, der auf die Behandlung zurückgeführt wurde. Auf der anderen Seite verbesserte sich die Lebensqualität bei den meisten Patienten deutlich.

Die HNO-Ärzte schließen aus den Daten, dass die Elektrochemotherapie vor allem bei Basalzellkarzinomen und primären, zuvor nicht behandelten Läsionen gut wirksam ist.

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