Lebensgefährliche Solarien

Tot statt schön gebräunt: Jährlich sterben in Europa 800 Menschen an den Folgen von Solarienbesuchen, haben Wissenschaftler herausgefunden. Sie fordern ein generelles Verbot für Sonnenbänke - obwohl die auch nützlich sein können.

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Jugendliche auf einer Sonnenbank: In vielen europäischen Ländern ist das UV-Bad für Minderjährige bereits verboten.

Jugendliche auf einer Sonnenbank: In vielen europäischen Ländern ist das UV-Bad für Minderjährige bereits verboten.

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LYON (mut). In einer Metaanalyse von 27 Studien aus 18 europäischen Ländern haben sich Forscher um Dr. Mathieu Boniol aus Lyon das Hautkrebsrisiko von Solarienbesuchern angesehen (BMJ 2012; 345: e4757).

Hierzu werteten sie die verfügbaren Studien aus den vergangen sechs Jahren aus, darunter Fallkontrollstudien, Querschnittstudien und Kohortenstudien, in denen die Melanominzidenz von Solariumbesuchern mit der von Personen verglichen wurde, die solche Einrichtungen meiden.

Für Solarienbesucher - dazu zählen alle, die sich jemals unter künstliches UV-Licht gelegt haben - ergibt sich ein 20 Prozent erhöhtes Melanomrisiko.

Für Personen, die es schon vor dem 35. Lebensjahr ins Sonnenstudio zieht, lässt sich sogar ein um 90 Prozent erhöhtes Hautkrebsrisiko errechnen. Auch die Dosis ist relevant: So steigert jeweils eine Sitzung pro Jahr das Risiko um 1,8 Prozent.

Aus diesen Daten berechneten die Forscher, dass von den jährlich knapp 64.000 Melanom-Neuerkrankungen in Europa etwa 3500 (5,4 Prozent) auf das UV-Bad im Solarium zurückzuführen sind, davon entfallen 1400 auf Deutschland.

Zudem ist europaweit mit 800 Melanomtoten pro Jahr durch Solarienbesuche zu rechnen.

Nur nach Risiken geforscht

Die Forscher begrüßen daher die inzwischen recht strengen Vorschriften in vielen europäischen Ländern, nach denen das UV-Bad für Minderjährige tabu ist, halten solche Maßnahmen aber für nicht ausreichend. Vielmehr fordern sie ein generelles Solarienverbot.

Fairerweise muss man aber feststellen, dass in der Metaanalyse nur nach den Risiken, nicht aber nach dem Nutzen von Solarien geschaut wurde. Wer jegliche UV-Strahlung meidet, vor allem im Winter, muss mit Vitamin-D-Mangel rechnen.

Zu wenig Vitamin D wiederum erhöht die Gefahr für andere Leiden, darunter Infektionen, MS, Knochen- und Krebserkrankungen.

Ob es daher bei mäßigen Solariumanwendungen einen Nutzen gibt und wie groß er ist, sollte in der Debatte berücksichtigt werden.

Bereits Anfang des Jahres wurden in Deutschland die Vorschriften für Sonnenbänke novelliert. Seitdem müssen Betreiber der Studios die Nutzer deutlich vor den Gefahren warnen.

Zum 1. August werden die Auflagen noch weiter verschärft. Kein Gerät darf dann die Bestrahlungsstärke von 0,3 Watt pro Quadratmeter Haut überschreiten.

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Kommentare
Christoph Polanski 25.07.201222:33 Uhr

Sehr fragwürdige Metaanalyse.

Neue Solarien sind wesentlich besser als die Sonne.

In Deutschland sind im Jahr 2011 insgesamt 3991 Todesfälle im Straßenverkehr registriert worden.
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/185/umfrage/todesfaelle-im-strassenverkehr/
Sollte man vielleicht Autofahren verbieten.

Dr. Thomas Georg Schätzler 25.07.201221:46 Uhr

Keine "Nouvelle Cuisine"!

Statt einer Trüffelsuppe ''Elysee'' mit Blätterteigkuppel vom Lyoner Meisterkoch Paul Boucuse taucht in dieser Studie neben dem Erstautor Mathieu Boniol erneut Philippe Autier auf. Beide sind publikationsfreudige Forschungsdirektoren des "International Prevention Research Institute" (IPRI) in Lyon, Frankreich.

Die Ärzte Zeitung berichtete "Forscher um Dr. Philippe Autier aus Lyon hatten Daten des Swedish Board of Health and Welfare von 1960 bis 2009 analysiert (JNCI 2012, online 17. Juli)". Dabei ging es um den wissenschaftstheoretisch abwegigen Versuch, bei dem in Schweden seit 1972 regional nach und nach eingeführten p r ä v e n t i v e n Mammografie-Screening eine direkte Verringerung der ausschließlich t h e r a p i e a b h ä n g i g e n Brustkrebs-Mortalität zu fordern. Letztere wurde in 37 Jahren jährlich um 1,01 Prozent reduziert, insgesamt um 37,4 %, aber dies interessierte Autier nicht. Vgl.
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/krebs/mamma-karzinom/article/818253/mammografie-enttaeuscht-erneut.htm

Doch zurück zum Hauptgericht: Statt eines 3-Sterne-Wolfsbarsches im Blätterteig und ''Coq au vin'' gibt es bei der methodisch äußerst fragwürdigen Sonnenbank-Studie ("Sunbed") nur einen ''Pot-au-Feu-Aufguss''. Eine EDV-gestützte Literaturrecherche ergab 27 rein retrospektive ("observational studies") Beobachtungsstudien der letzten 30 Jahre ("published within the past 30 years"), die angeblich nachweisen würden, dass auch nur ein e i n z i g e r Solariumbesuch mit künstlichem UV-Licht das kutane Melanomrisiko um 20 Prozent erhöhen würde ("shows that the risk of cutaneous melanoma is increased by 20% for those who were ever users of indoor tanning devices with artificial ultraviolet light"). Prospektive, randomisierte, doppelblinde Studien oder nur der Hauch einer selbstkritischen Reflexion? - Fehlanzeige!

Stattdessen wird unausgesprochen ein lineares, schwellenfreies Risiko (linear non-threshold risk) postuliert, das gegenüber jüngeren Menschen bis zum 35. Lebensjahr irreführend ein um 90 Prozent erhöhtes Hautkrebsrisiko postulieren soll. Die statistisch unzulässige Hochrechnung auf 800 Melanom-Tote in Europa, allein durch Solarienbesuche verursacht, ist als Nachtisch ebenso unseriös wie ungenießbar. Ich würde eher ''Oranges a l''Orange'' von Paul Boucuse empfehlen!

Jetzt fragen Sie sich noch, wo hat der das bloß her?? Beim Kochbuch kann ich weiterhelfen: "Boucuse à la carte - Französisch kochen mit dem Meister", Falken-Verlag, ISBN 3-8068-4237-X (mein Expl. ist ''antiquarisch'' von 1985).
Eine "Observational Study" ist schnell gemacht: Sie lassen ihren Forschungsassistenten alle Melanompatienten in der Hautklinik einschl. der Verstorbenen intensiv nach irgendwelchen (auch den längst vergessenen) Solarienbesuchen fragen. Als Kontrollgruppe nehmen sie einfach Patienten o h n e Melanom. Da diese keinen Grund hatten, ihre Hautklinik aufzusuchen, waren die auch nie im Solarium!
Guten Appetit!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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