CML-Therapie

Lebenslang reduzierte Dosis oder kontrolliert absetzen?

Die chronische myeloische Leukämie wird standardmäßig lebenslang therapiert. Kontrolliertes Absetzen der Medikamente oder Dosisreduktionen entwickeln sich für bestimmte Patientengruppen nun zu sicheren Alternativen.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:
Blastenkrise bei chronisch myeloischer Leukämie.

Blastenkrise bei chronisch myeloischer Leukämie.

© Stacy Howard / CDC

Die CML galt lange als unheilbar. Vor 30 Jahren betrug das 10-Jahresüberleben in Deutschland 11 Prozent. Heute sterben die meisten Patienten nicht an der Leukämie. Diesen Quantensprung hat die Einführung der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) um die Jahrtausendwende ermöglicht. Imatinib war das erste Medikament der Substanzklasse.

Mit der Behandlung von Patienten in der chronischen Phase der CML (cpCML) soll der Progress und damit der Tod verhindert werden. Bei anhaltend tiefem Ansprechen aber ist auch ein kontrolliertes Absetzen der Medikamente möglich oder eine Dosisreduktion bei Patienten, die gut, aber nicht perfekt ansprechen.

Diese neuen Strategien wurden bei der 58. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) im Dezember in San Diego diskutiert. Ziel ist, unerwünschte Wirkungen der lebenslangen TKI-Behandlungen zu vermindern oder zu vermeiden und Kosten zu reduzieren, ohne Patienten zu gefährden.

Daten von 755 Patienten aus elf Ländern

Viele Studien zur therapiefreien Remission (TFR) laufen noch, die größte ist die EURO-SKI-Studie. Professor Francois-Xavier Mahon von der Universitätsklink Bordeaux stellte daraus Daten von 755 Patienten mit cpCML vor. Sie wurden in elf Ländern rekrutiert, die meisten in Deutschland.

Die Teilnehmer hatten vor dem Absetzen mindestens drei Jahre TKI erhalten und mussten mindestens ein Jahr lang eine tiefe molekulare Response (MR) erreicht haben, also eine stabile Reduktion der Tumorlast um mindestens 4 Logstufen unterhalb des Basiswerts (MR 4).

61 Prozent waren 6 Monate nach Absetzen der TKI rückfallfrei, 55 Prozent nach 12 Monaten und 50 Prozent noch nach zwei Jahren. Ein Rückfall war definiert als Verlust einer MR 3. Dies entspricht einer Reduktion der Tumorlast um 3 Logstufen.

Internationale Empfehlungen erarbeiten

Fast alle, die wegen eines Rückfalls wieder behandelt wurden, erreichten erneut eine tiefe MR, bei keinem Patienten ging die Erkrankung in ein fortgeschrittenes Stadium über. "Strategien zum Absetzen der Medikation bei cpCML-Patienten sind unter den Bedingungen der EURO-SKI-Studie umsetzbar und sicher", sagte Mahon.

Und weiter: "Jetzt sollten internationale Empfehlungen für diese Strategie erarbeitet werden." Wesentliche Voraussetzung sei in jedem Fall ein standardisiertes, hoch sensitives Monitoring der Tumorlast. "Das größte Risiko für ein Rezidiv besteht in den ersten 6 Monaten ohne Medikation, danach nimmt es deutlich ab", so Mahon.

Prädiktiv für den Erfolg seien zwei Faktoren gewesen: die Dauer der Behandlung und die Dauer einer tiefen MR. Pro Behandlungsjahr stieg die Wahrscheinlichkeit, mindestens 6 Monate nach Absetzen rückfallfrei zu bleiben, um 16 Prozent.

Je länger eine MR 4 bestand, desto besser die Chance für eine TFR. Alter und Geschlecht der Patienten hatten keine prognostische Bedeutung.

Hohe Lebensqualität unter TKI

Viele von ihnen fürchten, beim Absetzen von TKI einen Rückfall zu bekommen, dennoch beeinträchtigten diese Ängste die meist hohe Lebensqualität unter TKI nicht, belegen Daten aus den Studien ENESTFreedom und ENESTop. Darin hatten Patienten initial Nilotinib eingenommen oder von Imatinib zu Nilotinib gewechselt.

Obwohl in der therapiefreien Phase vorübergehend muskuloskelettale Schmerzen häufig auftraten ("Absetzsyndrom", 42 Prozent), hatte dies keinen klinisch relevanten Einfluss auf die Lebensqualität.

"Die mit dem Absetzen intendierten Vorteile, zum Beispiel Vermeiden von Übelkeit oder einer Erhöhung von Blutdruck- oder Blutzuckerwerten, kommen bei vielen Patienten an", sagte Mahon. Dennoch müsse in der klinischen Praxis bei einem Absetzversuch die Lebensqualität im Einzelfall bewertet werden.

Erfüllen Patienten nicht die in den Studien verwendeten Kriterien für ein Absetzen, nämlich eine stabile MR 4, haben aber eine anhaltend gute Response (MR 3), könnte eine Dosisreduktion eine Option sein, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

Diese Meinung vertrat Professor Mhairi Copland von der Universität Glasgow und präsentierte dazu Daten der DESTINY-Studie. Von 174 Patienten mit einer stabilen MR (mindestens MR 3), bei denen die Dosis eines TKI halbiert wurde, hatten 93 Prozent auch ein Jahr später noch eine MR 3.

"Die Nebenwirkungen verminderten sich bei vielen, meist in den ersten drei Monaten", sagte Copland. In den Diskussionen zur Studie wurden aber auch Bedenken geäußert, es könnten sich Resistenzen entwickeln.

Mehr zum Thema

Behandlungsfortschritte

Herzrisiko nach Hodgkin-Lymphom dürfte sinken

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“