Neue Wege bei adjuvanter Brustkrebstherapie

Nach der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie zu Brustkrebs profitieren auch ältere Patientinnen von einer adjuvanten Therapie. Und es kann jetzt besser zielgerichtet behandelt werden.

Ingrid KreutzVon Ingrid Kreutz Veröffentlicht:
Brustkrebs-Screening: Betroffenen Frauen bietet eine adjuvante Therapie in jedem Alter gute Erfolgschancen.

Brustkrebs-Screening: Betroffenen Frauen bietet eine adjuvante Therapie in jedem Alter gute Erfolgschancen.

© Foto: imago

Zur optimalen Versorgung von Patientinnen mit Brustkrebs gehört eine leitliniengerechte Behandlung, das heißt nach der jetzt erstmals aktualisierten interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Viele neue Erkenntnisse wurden bei der Überarbeitung des Kapitels zur adjuvanten systemischen Therapie umgesetzt.

Ein wesentlicher Hinweis in der neuen Leitlinie lautet: "Ältere Patientinnen sollten nicht allein aufgrund ihres Alters von einer adjuvanten systemischen Therapie ausgeschlossen werden." Metaanalysen hätten wiederholt gezeigt, dass eine adjuvante Polychemotherapie und/oder Hormontherapie das rezidivfreie Überleben und auch das Gesamtüberleben in allen Altersgruppen unabhängig von Nodalstatus substanziell verbessert, argumentieren die Autoren der Leitlinie. Allerdings: Sei bereits von vornherein zu erwarten, dass eine adjuvante Chemotherapie nicht in der adäquaten Dosisintensität verabreicht werden kann, sollte auf eine solche Therapie verzichtet werden.

Die Sterberate lässt sich um etwa 30 Prozent senken

Ein weiterer wichtiger Trend schlägt sich in der neuen Brustkrebs-Leitlinie nieder: die zielgerichtete medikamentöse Therapie. "Wir werden künftig ähnlich wie bei Leukämien auch bei Brustkrebs mehr zielgerichtete Therapien haben, die wir je nach Tumorbiologie einsetzen, und nicht mehr nur ein paar Standardschemata für alle Patientinnen", sagt Dr. Achim Wöckel, der an der neuen Leitlinie mitgearbeitet hat. Etabliert habe sich als Adjuvans bereits der monoklonale Antikörper Trastuzumab, sagte der Ulmer Gynäkologe zur "Ärzte Zeitung".

Die Leitlinie empfiehlt: "Patientinnen mit HER-2-positiven Tumoren sollen eine Behandlung mit Trastuzumab über ein Jahr erhalten. Dies kann simultan zu einem Taxan oder sequenziell zu einer Anthrazyklin-(Taxan)-haltigen Chemotherapie verabreicht werden." Fünf Studien hätten gezeigt, dass durch die adjuvante Behandlung mit dem Antikörper in Sequenz oder Kombination mit einer Standard-Chemotherapie die Rezidivrate um 45 bis 50 Prozent und die Sterberate der Frauen um etwa 30 Prozent gesenkt werde.

Viel Bewegung ist auch in die adjuvante Hormontherapie gekommen. Tamoxifen hat jedoch weiter seinen Stellenwert. Daran lässt die neue Leitlinie keinen Zweifel. Eine adjuvante Tamoxifen-Therapie reduziere das relative Risiko für ein Brustkrebs-Rezidiv langfristig, und zwar über 15 Jahre, um 40 Prozent und die Sterberate um 31 Prozent, heißt es. Ein Nutzen der Behandlung bestehe für hormonrezeptorpositive Frauen jeden Alters und unabhängig von Nodalstatus, Menopausenstatus oder Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie. Was die Behandlung von Frauen in der Postmenopause betrifft, weisen die deutschen Kollegen explizit auf die Überlegenheit der Aromatasehemmer hin: "Bei der sicher postmenopausalen Frau sind Aromatasehemmer der 3. Generation dem Tamoxifen überlegen."

Für die Behandlung mit einem Aromatasehemmer kommen derzeit drei Schemata in Frage: eine initiale Therapie für fünf Jahre, eine zwei- bis dreijährige Therapie im Anschluss an zwei bis Jahre Tamoxifen oder eine fünfjährige Therapie nach fünf Jahren Tamoxifen. Alle drei Modelle sind bereits in klinischen Studien erfolgreich getestet worden. Allerdings: Welches Verfahren das günstigste für die adjuvante Brustkrebstherapie ist, dazu wollten sich die Experten jetzt noch nicht festlegen. "Hierzu stehen noch wichtige Studiendaten aus", sagte Wöckel.

Auch für die Behandlung von hormonrezeptorpositiven Frauen mit Mamma-Karzinom in der Prämenopause hat es in den vergangenen Jahren wichtige neue Erkenntnisse gegeben. Bei solchen Patientinnen könne die Ausschaltung der Ovarialfunktion durch GnRH-Analoga, Ovarektomie oder Radiomenolyse die Krankheit günstig beeinflussen, heißt es in der Leitlinie.

"Die Wirksamkeit ist vergleichbar zu einer CMF-Chemotherapie." Aber: Die Wirksamkeit der Ausschaltung der Ovarialfunktion nach einer Chemotherapie sei ungewiß, so die Experten. Und der positive Effekt der GnRH-Analoga beschränkte sich in Studien auf Patientinnen, die nicht gleichzeitig Tamoxifen erhielten. In keiner einzigen Studie seien GnRH-Analoga bisher direkt mit Tamoxifen verglichen worden.

Bei Befall der Lymphknoten werden Taxane empfohlen

Neue Entwicklungen gibt es außerdem bei der adjuvanten Chemotherapie bei Patientinnen mit Mamma-Karzinom. So empfiehlt die S3-Leitlinie jetzt für alle Patientinnen mit befallenen Lymphknoten eine adjuvante Kombinationstherapie mit Taxanen. "Die Datenlage zur adjuvanten Chemotherapie mit Taxanen wird durch aktuelle Studienergebnisse untermauert. Vor allem Frauen mit Lymphknotenbefall und Patientinnen mit negativem Hormonrezeptorstatus profitieren vom Einsatz der Taxane", stellen die Autoren fest. Eine weitere Empfehlung: Eine adjuvante Kombinations-Chemotherapie sollte ein Anthrazyklin enthalten. Die Überlegenheit Anthrazyklin-haltiger Schemata gegenüber CMF sei allerdings nur in Dreierkombinationen, etwa FAC oder FEC, in adäquater Dosierung und Zykluszahl (sechs Zyklen) nachgewiesen worden.

Die myeloablativen Hochdosis-Chemotherapien sollten weiterhin nur in klinischen Studien erfolgen, raten die Onkologen.

Zur Leitlinie: http://www.uni-duesseldorf.de/ AWMF/ll/index.html

Rezidivrisiko bestimmt die adjuvante Therapie

Die wichtigsten Faktoren zur Entscheidung über Notwendigkeit und Art der adjuvanten Therapie bei Brustkrebs sind: Tumorgröße, Lymphknotenstatus, Grading, Hormonrezeptorstatus, HER-2-Status-Menopausenstatus und Alter. Nach den aktuellen Empfehlungen von St. Gallen erfolgt die Risikoeinstufung in drei Gruppen.

Für ein niedriges Rezidivrisiko müssen alle folgenden Kriterien erfüllt sein: Patientinnen 35 Jahre oder älter, Tumordurchmesser (pT) < 2 cm, Grading (G) 1, positiver Hormonrezeptorstatus (HR+), negativer HER-2-Status und tumorfreie Lymphknoten in der Axilla (N0).

Kriterien für ein mittleres Risiko: N0 und HR+ sowie ein weiteres Risiko: pT>2cm, G2-3, Her2+ oder: N1-3 und HR+ und kein weiteres Risiko.

Ein hohes Risiko besteht bei Frauen mit mindestens 4 befallenen Lymphknoten oder N1-3 plus einem weiteren Risikofaktor.

Bei Frauen mit niedrigem Rezidivrisiko kann auf eine adjuvant Chemotherapie verzichtet werden, heißt es in der aktualisierten S3-Leitlinie zu Brustkrebs. Eine adjuvante endokrine Therapie sollte im Allgemeinen aber dennoch erfolgen. Bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko sowie bei Tumoren mit zweifelhafter oder fehlerhafter endokriner Sensitivität sei immer eine adjuvante Chemotherapie indiziert, lautet die Empfehlung der Brustkrebs-Experten. (ikr)

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