Studie

Gemüsesaft gegen entzündetes Zahnfleisch

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STUTTGART. Nitrat aus einem handelsüblichen Gemüsesaft kann den Verlauf chronischer Zahnfleischentzündungen bereits nach nur zwei Wochen spürbar bessern, meldet die Universität Hohenheim. Das belege eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Hohenheim und des Universitätsklinikums Würzburg (Journal of Clinical Periodontology 2016, online 10. Mai).

"Nitrat an sich ist nicht gesundheitsschädlich", wird Lebensmittelwissenschaftler Professor Reinhold Carle von der Universität Hohenheim zitiert. Allerdings habe der Verzehr von nitratreichen Lebensmitteln bisher als kritisch gegolten, weil Verdauungsprozesse Nitrat unter gewissen Umständen zu Nitrit, Stickoxiden und Nitrosaminen umsetzen.

"Insbesondere Nitrosamine gelten als stark krebserregend und werden mit der Entstehung von Speiseröhren- und Magenkrebs in Verbindung gebracht."Nitratreiches Blattgemüse enthält auch Vitamin CStudien der letzten Jahre hätten beim Verzehr von nitratreichen Blattgemüsen aber zunehmend gesundheitsfördernde Effekte beobachtet.

Denn: "Wenn zusammen mit dem Nitrat auch Vitamin C aufgenommen wird, unterbleibt die Nitrosaminbildung", stellt Dr. Ralf Schweiggert von der Universität Hohenheim in der Mitteilung klar.Dies sei in der Regel auch der Fall: "Pflanzliche Lebensmittel enthalten meist ausreichende Mengen an natürlichem Vitamin C. Deshalb müssen wir die Nitrataufnahme aus Blattgemüsen ganz anders bewerten als bei gepökelten Fleischwaren, denen die Zusatzstoffe Nitrat beziehungsweise Nitrit hinzugefügt werden.

"Dass dieses Nitrat aus Gemüsepflanzen sogar gesundheitsfördernde Eigenschaften entfalten kann, zeigte das Team um Carle jetzt gemeinsam mit dem Parodontologen Professor Ulrich Schlagenhauf vom Uniklinikum Würzburg.

Pflanzliches Nitrat gegen Zahnfleischentzündung

Die Forscher teilten insgesamt 44 Teilnehmer mit chronischer Zahnfleischentzündung zunächst in zwei Gruppen. Die erste Gruppe von 21 Personen verzehrte dabei über einen Zeitraum von zwei Wochen dreimal täglich ein von Carle und seinem Team entwickeltes Placebo-Salatsaftgetränk.Aus dem Placebo-Getränk war das natürlicherweise enthaltene Nitrat durch ein spezielles Adsorberverfahrens entfernt worden, beschreibt die Universität Hohenheim das Vorgehen.

Die zweite Gruppe von 23 Personen erhielt in gleichen zeitlichen Abständen das identische Testgetränk mit der ursprünglich enthaltenen Menge an Nitrat.Schlagenhauf und die Zahnärztin Dr. Yvonne Jockel-Schneider vom Uniklinikum Würzburg untersuchten die Probanden jeweils vor Beginn der Studie sowie erstmals nach 14 Tagen.

"Wir waren erstaunt über die Unterschiede", stellte Schlagenhauf fest."Bereits nach zwei Wochen waren deutliche und statistisch signifikante Verbesserungen bei den Zahnfleischentzündungen unserer Patienten zu beobachten. In der Placebogruppe, also in der Gruppe, in der das Nitrat im Testgetränk entfernt wurde, konnten wir hingegen keine Verbesserung feststellen."

Nitratreicher Gemüsesaft stimuliert Nitrat-Nitrit-NO-Stoffwechsel

Den Wirkmechanismus erklären die Forscher folgendermaßen: Mit der Nahrung aufgenommenes Nitrat wird rasch im Magen und dem oberen Dünndarm aufgenommen und anschließend über das Blut zu den Speicheldrüsen transportiert.Ein gutes Viertel des aufgenommenen Nitrats wird dort in den Speichel abgegeben.

Auf diese Weise ist die Nitratkonzentration im Mundraum nicht nur beim Trinken des Salatsaftgetränks, sondern auch über einen längeren Zeitraum danach deutlich messbar erhöht. Bestimmte Keime, die im Rachenraum und besonders in den Zahnzwischenräumen vorkommen, wandelten Nitrat in Nitrit um.

Dieses wirke einerseits selbst antimikrobiell und könnte durch die Hemmung schädlicher Bakterien direkt einen Beitrag zur Linderung der Zahnfleischentzündung leisten. Andererseits wird es zu Stickstoffmonooxid (NO) umgewandelt. Letzteres gilt als blutdrucksenkend, durchblutungsfördernd und kann im Körper entzündungshemmende Prozesse auslösen."Die Studienergebnisse dürften auch die Gesundheitsdebatte über Nitrat aus pflanzlichen Lebensmitteln neu befeuern", mutmaßt Carle in der Mitteilung der Universität Hohenheim.

"Weder die Weltgesundheitsorganisation noch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit raten übrigens vom Verzehr von Blattgemüsen ab, insbesondere wenn man sich nicht ausschließlich auf den besonders nitratreichen Rucola beschränkt, sondern verschiedene Blattsalate und -gemüse ausgewogen zusammenstellt und zubereitet." (eb)

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