ADHS: "Pirat" outet sich

Diagnose ADHS: Viele Betroffene fühlen sich als Außenseiter. Das will ein Berliner Politiker ändern - und outet sich. Denn die Krankheit, sagt der "Pirat", habe auch Vorteile.

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Pirat Lauer: Keine Kinderkrankheit.

Pirat Lauer: Keine Kinderkrankheit.

© Lisavan

BERLIN (eis). Der Berliner Abgeordnete der Piratenpartei Christopher Lauer bekennt sich im Internet offen zu seiner Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Er will mit hartnäckigen Vorurteilen gegenüber der Erkrankung und ihrer Behandlung aufräumen.

"Die landläufige Meinung, dass es sich bei ADHS um eine Kinderkrankheit handelt, ist falsch. ADHS ist nichts, was auf einen Schlag mit dem 18. Lebensjahr aufhört, es ist ein Wahrnehmungszustand, der einen das ganze Leben lang begleitet", so der Politiker.

Er möchte andere ADHSler dazu bewegen, "mutig, selbstbewusst und offen mit diesem Zustand umzugehen". Durch ADHS habe er Vor- und Nachteile, schreibt Lauer: "So kann es von Vorteil sein, in einer komplexen Situation viele Details schnell erfassen und zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen fügen zu können."

Lauer: "Es kann aber auch einfach nur nerven, wenn man in einem Restaurant sitzt und jedes Gespräch im Raum genau so wahrnimmt, wie das Gespräch mit dem Gegenüber."

Er wolle vor allem in der öffentlichen Diskussion die Vorteile von ADHS in den Vordergrund rücken, so Lauer, bei dem ADHS erst vergangenes Jahr diagnostiziert wurde.

Lob von Patientenvertreten

Zu der Diagnose schreibt er: "Um es ganz klar zu sagen: Ich leide nicht an einer furchtbaren Krankheit. Die Diagnose war für mich ein sehr wichtiger Moment, denn auf einmal konnte ich sehr viele Ereignisse in meiner Biografie erklären. ADHS soll nichts rechtfertigen oder entschuldigen, es hilft mir, mich in der Welt einzuordnen."

Auch seine Therapie beschreibt Lauer: "Wichtig ist: Ich nehme Methylphenidat wegen und nicht gegen ADHS. Ich empfinde es als großes Glück, 27 Jahre normal gelebt zu haben und durch das Medikament für 2,5 Stunden oder länger in eine Welt eintauchen zu können, die mir vorher verschlossen war."

Lauer sagt, er sei gelassener: "Es macht meinen Alltag, insbesondere im Umgang mit anderen Menschen, einfacher. Das bedeutet nicht, dass ich ohne das Medikament nicht mehr klarkommen würde. Die Einnahme von Methylphenidat ist ein bewusster Akt und ein Zugeständnis an eine Gesellschaft, in der 95 Prozent der Menschen eben kein ADHS haben."

Dr. Kirsten Stollhoff von der AG ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V. lobt das Bekenntnis: Es mache Betroffenen Mut - ohne zu verharmlosen oder zu verteufeln. In einer Mitteilung der Informationskampagne "ADHS und Zukunftsträume", wird die Pädiaterin aus Hamburg zitiert.

Stollhoff: "Eine Superdarstellung eines Erwachsenen mit ADHS, der es geschafft hat. Unser Ziel ist es, dass die Kinder und Jugendlichen später mit 27 Jahren genauso selbstbewusst und offen zu ihrem ‚Anderssein‘ stehen können. Vielen Dank für die Stellungnahme!"

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Wenig Verständnis für ADHS

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