Psychische Probleme

Schon ein bisschen Stress tötet

Die Lebenserwartung von Menschen mit psychischen Problemen ist verkürzt. Auch dann, wenn die Beschwerden noch keinen Krankheitswert haben.

Veröffentlicht:
Stress im Job: ein Gesundheitsrisiko.

Stress im Job: ein Gesundheitsrisiko.

© lichtmeister / fotolia.com

PERTH (BS). Zwischen psychischen Problemen und dem Sterberisiko besteht quasi eine "Dosis-Wirkungs-Beziehung". Das hat eine Metaanalyse schottischer Wissenschaftlern ergeben (BMJ 2012; 345: e4933).

Die Forscher haben Daten von 68.222 Personen aus der Allgemeinbevölkerung ausgewertet. Dabei war psychischer Disstress anhand des zwölfteiligen General Health Questionnaire (GHQ-12) ermittelt worden. Für diesen Score werden Infos zu Anzeichen von Depression und Angstzuständen, Problemen mit der sozialen Funktion und Vertrauensverlust dokumentiert. Ein GHQ-12-Score von 0 bedeutet Symptomfreiheit, bei Werten von 1 bis 3 werden die Symptome als subklinisch eingestuft. Werte von 4 bis 6 beziehungsweise 7 bis 12 werden für symptomatische oder stark symptomatische Personen vergeben.

Sterberisiko steigt mit den psychischen Auffälligkeiten

Die Studienteilnehmer waren im Mittel 55 Jahre alt und frei von Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Während der Beobachtungszeit von acht Jahren starben 8365 von ihnen. Das Sterberisiko nahm mit den psychischen Auffälligkeiten zu - und zwar über das gesamte Spektrum hinweg. Bei subklinischen Beschwerden betrug der Mortalitätsanstieg 16 Prozent; er erhöhte sich bis auf 67 Prozent bei starken Symptomen.

Ein ähnlicher Zusammenhang ergab sich, wenn nur die Todesfälle mit kardiovaskulärer Ursache berücksichtigt wurden: Abhängig vom Schweregrad des psychischen Leidens stieg das Risiko um 25 bis 72 Prozent. Todesfälle durch externe Ursachen traten um 23 bis 219 Prozent häufiger auf.

Einfluss von Komorbiditäten herausgerechnet

Das Risiko, an Krebs zu sterben, war dagegen ausschließlich bei starken psychischen Symptomen erhöht, und zwar um 29 Prozent. Bei diesen Mortalitätssteigerungen ist bereits der Einfluss von Alter, Komorbiditäten und Lebensstil herausgerechnet. Das heißt, die Assoziationen waren nicht oder höchstens teilweise dadurch zu erklären, dass die Patienten in schlechterer seelischer Verfassung waren, weil sie bereits ein somatisches Leiden hatten.

Da subklinische psychische Probleme weit verbreitet sind, gehen die Studienautoren davon aus, dass sie einen großen Beitrag zur Mortalität leisten: Nach ihrer Berechnung sind sie für 3,8 Prozent aller Todesfälle in der Bevölkerung verantwortlich. Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen beziehungsweise durch externe Ursachen gehen demnach sogar zu 5,8 Prozent und 5,4 Prozent auf das Konto solcher leichteren psychischen Beschwerden.

Mit psychischem Stress steigt die Kortisolproduktion

Die schottischen Wissenschaftler vermuten, dass die Verkürzung der Lebenserwartung eine direkte Folge von psychischem Disstress ist - und nicht eine indirekte Folge durch die Vernachlässigung der Gesundheit. So beeinflusst akuter psychischer Stress die kardiovaskulären Funktionen und kann zum Beispiel transiente Myokardischämien auslösen.

Weiterhin können seelische Probleme über die Hypothalamus-Hypohphysen-Nebennierenrinden-Achse die Kortisolproduktion erhöhen. Auch steigt bei depressiven Symptomen die Konzentration vieler Entzündungsmarker. Die Autoren fordern nun Studien, in denen geprüft wird, ob eine Behandlung von subklinischen psychischen Problemen in der Lage ist, Lebenszeit zu retten.

Mehr zum Thema

Glosse

Die Duftmarke: Frühlingserwachen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen