Psychisch Kranke

Schritt für Schritt zurück ins Arbeitsleben

Die Vitos-Klinik in Haina macht psychisch kranke Menschen fit für eine Rückkehr in den Arbeitsalltag. Von den so genannten Betriebsintegrierten Beschäftigungsplätzen zeigen sich drei der Betreuten begeistert.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
"Wir arbeiten mit vielen hochintelligenten Menschen, die irgendwann in ein Loch gerutscht sind", Erwin Gruber, Vitos Klinik Haina, Leiter der begleitenden psychatrischen Dienste.

"Wir arbeiten mit vielen hochintelligenten Menschen, die irgendwann in ein Loch gerutscht sind", Erwin Gruber, Vitos Klinik Haina, Leiter der begleitenden psychatrischen Dienste.

© Coordes

HAINA. Der Schreibtisch von Florian S. ist sorgfältig aufgeräumt. Nur ein kleiner Stoß Papier liegt auf der Unterlage vor dem Computer.

Der 25-jährige Kaufmann im Gesundheitswesen hält sich selbst für "ein bisschen perfektionistisch".

Erwin Gruber, der therapeutische Leiter der begleitenden psychiatrischen Dienste der Vitos Klinik in Haina, kann das bestätigen: "Wenn er Korrektur liest, ist garantiert kein Rechtschreibfehler mehr drin."

S. gehört zu den Mitarbeitern auf einem so genannten "Betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz". Dahinter verbirgt sich ein Weg, um Menschen mit seelischen Erkrankungen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen.

Leistungsfähigkeit wird langsam wieder aufgebaut

"Ich bin froh, dass ich in so einem guten Team arbeite", sagt Florian S. über seine Kollegen in der Finanzbuchhaltung.

Seine Genauigkeit kann er in diesem Job gut brauchen. Schließlich dürfen beim Verbuchen von Essensgeldern und Waren keine Fehler passieren.

Der freundliche, junge Mann, der privat viel liest, radelt, Bumerang wirft und Gedichte schreibt, stammt aus dem Nachbarort. Über seine psychische Erkrankung möchte er nicht sprechen. Nur so viel gibt er preis: 2003 wurde er krank.

Seine Ausbildung in einem Seniorenpflegeheim schaffte er noch. Aber dann war es fast aussichtslos, einen Job zu finden, der sowohl seinen Fähigkeiten als auch seiner Belastbarkeit entsprach.

Sein Betreuer vermittelte ihn nach Haina, wo er seine Leistungsfähigkeit Stück für Stück wieder aufbauen kann. Seine Arbeitszeit hat er bereits auf fünf Stunden täglich erhöht. "Er hat sich auf einem schwierigen Arbeitsplatz enorm entwickelt", sagt Erwin Gruber.

Werkstatt für Behinderte keine Option

Der therapeutische Leiter versucht, seinen Klienten genau passende Arbeitsplätze zu geben. Gemeinsam mit den Bathildisheimer Werkstätten in Bad Arolsen hat er die Betriebsintegrierten Beschäftigungsplätze in Haina eingerichtet.

Auf diese Weise sollen die Betroffenen "wieder in das normale Leben zurückfinden", erklärt Erwin Gruber.

Wenn es optimal läuft, können sie später auf einen regulären Arbeitsplatz in einem Unternehmen oder einer Verwaltung wechseln. Bei Florian S. kann Gruber sich das gut vorstellen.

Die Betriebsintegrierten Beschäftigungsplätze richten sich an Menschen mit seelischen Erkrankungen, für die eine reine Arbeitstherapie zu wenig anspruchsvoll ist. Sie sind eigentlich belastbar genug, um eine externe Werkstatt für Behinderte zu besuchen.

Doch das dortige Angebot passt nicht zu allen. "Manche wollen nicht den ganzen Tag in einer Werkstatt Schräubchen drehen", erklärt der therapeutische Leiter: "Da nehmen wir den Leuten den Druck."

Schließlich hätten seine Klienten zum Teil eine gute Ausbildung: "Da sind ja viele hochintelligente Menschen dabei, die irgendwann in ein Loch gerutscht sind."

Zudem haben die neuen Jobs Vorteile. Die Mitarbeiter haben einen Arbeitnehmerstatus, erwerben Renten- und Versicherungsansprüche.

Landschaftsgartenhelfer Jürgen A. findet das durchaus wichtig. Der 49-Jährige stützt sich auf seinen Rechen, um langsam und in wenigen Stichworten von seiner Arbeit zu erzählen: Er mäht die schmalen Rasenstreifen zwischen den Grabsteinen, jätet das Unkraut, fegt die Wege und recht das Laub auf dem Friedhof von Haina.

Er brauche die frische Luft, sagt er auf Nachfrage.

Zu viel Alkohol, dann kamen psychische Probleme

Jahrzehntelang hat der gebürtige Kirchhainer draußen gearbeitet. Erst als Bauhelfer, dann in der Landwirtschaft. Doch der Hof wurde aufgegeben, A. arbeitete als Hausmeister, bis auch dieser Job nicht mehr gebraucht wurde.

Durch zu viel Alkohol kam es zu einer psychische Erkrankung. Seit zwei Jahren lebt er jetzt in Haina.

Für Rami M. ist die Zeit in Haina eine Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen. Der 33-Jährige neigt dazu, sich zuviel zuzumuten. "Bevor es wieder in die Hose geht, lasse ich es lieber langsam angehen", sagt er.

Der Deutsch-Palästinenser wurde durch Probleme in der Familie psychisch krank. In der Werkstatt für Behinderte langweilte sich der 33-Jährige: "Ich arbeite eigentlich gern, aber das hat mich unterfordert."

Jetzt arbeitet er als Maler und Lackierer. Das Gestaltende macht ihm Spaß. "Der Maler ist der Letzte, der die Baustelle verlässt. Dann muss alles tipptopp sein", sagt Rami M.

Abends verfolgt der Eintracht-Fan mit seinem Mitbewohner in der Wohngruppe die Bundesliga-Spiele und kocht leckeres Essen.

Haina gefällt ihm sehr, sagt er: "Das ist das Beste, was mir passieren konnte."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Entlassmanagement

Wenn die Klinik Faxe in die Praxis schickt

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

© Vink Fan / stock.adobe.com

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

7-Jahres-Daten belegen günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Ofatumumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Wenn „Gender“ und „Sex“ nicht übereinstimmen

Geschlechtsinkongruenz bei Kindern: Tipps zum Umgang mit trans*

Lesetipps
Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau