Sprache im Blut

Gen macht Frauen mitteilsam

Das Klischee ist bekannt: Frauen reden gerne und viel - am liebsten mit anderen Frauen. Nur ein Vorurteil? Wissenschaftler haben eine Erklärung gefunden: Die sprachliche Stärke bei Frauen könnte an der Menge des Proteins FoxP2 in ihren Neuronen liegen.

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Reden über FoxP2.

Reden über FoxP2.

© Mathias Ernert

BALTIMORE. Das Akronym FoxP2 tauchte vor mehr als zehn Jahren im Zusammenhang mit der Evolution der Sprache auf. Damals wurde bei der sogenannten "KE family" entdeckt, dass das FoxP2-Gen bei Sprach- und Sprechstörungen bedeutsam ist (Nature 2001; 413: 519-523).

Mitglieder über drei Generationen hatten Schwierigkeiten beim Artikulieren, Formulieren und Verstehen von Sprache. Die Störung konnte mit Mutation im FoxP2-Gen erklärt werden.

Jetzt haben US-Forscher aus Baltimore bei Ratten erste Hinweise bestätigt, dass es im Kleinhirn Mengenunterschiede des Proteins zwischen den Geschlechtern gibt (J Neurosci 2013, 33(8): 3276-3283).

Männliche neugeborene Tiere hatten mehr FoxP2-Moleküle in Kleinhirn, Striatum, Mandelkern, Kortex und Thalamus und kommunizierten viel stärker mit ihrer Mutter - per Ultraschall - als die weiblichen Neugeborenen. Im Hippocampus dagegen ließ sich das Molekül weder bei männlichen noch bei weiblichen Tieren nachweisen.

Die Forscher suchten zudem nach solchen Unterschieden zwischen den Geschlechtern auch bei Menschen, und zwar im Kortexgewebe von jeweils fünf Jungen und Mädchen im Alter von vier bis fünf Jahren, die bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen waren.

Alle Proben stammten jeweils von der linken Hemisphäre aus dem Brodman-Areal 44, einem Teil des motorischen Sprachzentrums.

Tatsächlich fanden die Neurologen je nach Geschlecht unterschiedliche FoxP2-Konzentrationen, allerdings mit der Verteilung genau anders herum als bei den Ratten: Denn bei den Mädchen entdeckten die Forscher viel höhere Mengen des Eiweißes als bei den Jungen.

Das erklären sie damit, dass große Mengen an FoxP2 stets mit dem kommunikativeren Geschlecht assoziiert sind. (ple)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 20.04.201318:36 Uhr

Weibliches "Social Coping" vs. männliches "Physical Coping"

Weil tierexperimentelle Daten nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragbar sind, muss man bei der Interpretation von Gen- und Sprachforschung bzw. Gender-spezifischer Kommunikation vorsichtig sein. Deshalb schreiben die hier referierten Autoren in NATURE als Vorschlag ("Suggestion"), dass FOXP2 in Sprech- und Sprachen-Entwicklungsprozesse involviert sei ["Our findings suggest that FOXP2 is involved in the developmental process that culminates in speech and language"].

Nach Geschlecht unterschiedliche FoxP2-Konzentrationen belegen allerdings n i c h t aus der Sozialpsychologie bekannte, intra- und interpersonelle Bewältigungsstrategien ("Coping Strategies"). Denn diese sind kulturell geprägt und im Gegensatz zum Tierreich durch stammesgeschichtlich entwickeltes Denken, Fühlen, Wollen und Handeln bzw. basale Kulturtechniken gekennzeichnet. Soziale Kommunikation, Empathie, verbale und nonverbale Kommunikation bzw. Interaktion sind Schwerpunkte, mit denen überwiegend Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen punkten. Männer setzen eher auf Laufen, Sport, Kräfte messen, Bälle in Tore oder Löcher versenken, die schnellste Runde fahren oder die Schwerkraft mit Bergsteigen, Klettern, "Downhill"-Rennen, Kite-Surfen, Fallschirmspringen o. ä. überwinden.

Könnte jedoch "Schrei vor Glück" beim Schuhe kaufen eine spezifisch weibliche, große Menge an FoxP2 bedeuten?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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