Gerinnungshemmer

Risiko bei Schädel-Hirn-Trauma im Alter?

Auch in der Traumatologie gibt es immer mehr geriatrische Patienten. Die veränderte Pathophysiologie stellt Unfallchirurgen und Intensivmediziner vor Herausforderungen. Die oft übliche Gerinnungshemmung offenbar nicht.

Von Wiebke Kathmann und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel Veröffentlicht:
Kranielle Computertomographie zur Abklärung möglicher Blutungen bei Schädel-Hirn-Trauma.

Kranielle Computertomographie zur Abklärung möglicher Blutungen bei Schädel-Hirn-Trauma.

© Ernert, Uniklinik Heidelberg

BERLIN. Das Schädel-Hirn-Trauma ist mit einer Inzidenz von 200 bis 400 Fällen pro 100.000 Einwohner das häufigste Krankheitsbild in der Unfallchirurgie.

Meist trifft es Menschen im Alter über 75 Jahre, wie Dr. Michael Zinke vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart beim Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) berichtet hat.

In der Mehrzahl der Fälle werde die Verletzung durch Niedrigenergie-Traumen hervorgerufen, also zum Beispiel durch einen Sturz aus dem Stehen.

Da Betroffene oft dauerhaft mit einem Gerinnungshemmer behandelt werden, stellt sich die Frage, ob während der stationären Versorgung besondere Vorsichtsmaßnahmen zu beachten sind.

Zinke und seine Kollegen haben dazu jetzt die Daten aller im Jahr 2012 in ihrer Notfallambulanz wegen Schädel-Hirn-Trauma (SHT) behandelten Patienten zu Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmer ausgewertet.

Von den 29.055 in der Notfallambulanz versorgten Patienten waren 564 aufgrund eines SHT weiter mit kranieller Computertomographie (cCT) untersucht worden. 81 Prozent von ihnen waren über 65 Jahre alt, davon knapp ein Drittel Männer, zwei Drittel Frauen.

Der größere Teil von ihnen nahm Gerinnungshemmer (307 versus 129), und zwar 224 ASS, 66 Marcumar, 18 eine Kombination, acht Clopidogrel, fünf Heparin und vier niedermolekulares Heparin.

14 der SHT-Patienten wiesen im cCT eine intrakranielle Blutung auf, zwölf von ihnen bei Niedrigenergietrauma und zehn von ihnen unter Gerinnungshemmern.

Keine spezielle Gefährdung für intrakranielle Blutung

Aus diesen Zahlen ergab sich laut Zinke einen relativen Risikofaktor für eine intrakranielle Blutung unter gerinnungshemmenden Medikamenten von 0,99.

"Ältere Patienten unter Gerinnungshemmern sind also nicht speziell gefährdet, eine intrakranielle Blutung zu erleiden. Daher stellt sich die Frage, ob ein cCT regelhaft auch bei Niedrigenergie-Schädel-Hirn-Traumen durchgeführt werden muss."

Da ein SHT bei älteren Menschen häufig durch Stürze verursacht wird und damit auf eine gewisse Gebrechlichkeit oder kognitive Einschränkung deutet, muss von einem hohen Wiederholungsrisiko ausgegangen werden.

Kein Wunder also, dass viele Ärzte das SHT als Anlass nehmen, die gerinnungshemmende Therapie zu überdenken.

Aufgrund des Nutzen-Risiko-Verhältnisses raten US-Ärzte bei alten Patienten, die eine Antikoagulation benötigen, diese auch nach einem SHT möglichst schnell wieder aufzunehmen - am besten sofort nach der Klinikentlassung (JAMA Intern Med. 2014; 174: 1244).

Auch bei schwer verletzten Patienten mit Polytrauma in der Geriatrie stellt sich die Frage, ob es Besonderheiten zu beachten gibt.

Ältere werden seltener mit dem Hubschrauber eingeliefert

Nach einer ersten Auswertung des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ist die Schockraumzeit bei ihnen deutlich länger im Vergleich zur Schockraumzeit bei 18- bis 59-Jährigen: Bei den über 90-Jährigen betrug sie 78,8 Minuten, bei den jüngeren Erwachsenen 70,86 Minuten.

Bei der Transportzeit ergaben sich keine Unterschiede gegenüber der Vergleichsgruppe, wohl aber beim Transportmedium: Nur 15,2 im Vergleich zu 38,4 Prozent wurden mit dem Rettungshubschrauber eingeliefert.

In der prästationären Phase wurden die Senioren altersabhängig seltener sediert, intubiert, reanimiert oder mit Katecholaminen behandelt. Poststationär wurden 65- bis 85-Jährige häufiger in die Reha als nach Hause entlassen.

Auch in dieser Auswertung zeigte sich, dass bei Senioren bereits eine geringere kinetische Energie ausreicht, um eine Jüngeren vergleichbare Verletzung hervorzurufen.

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