Mit Augmentation aus der Depression

Dosis erhöhen, Präparat wechseln, kombinieren: Bei therapieresistenter Depression haben Ärzte viele Möglichkeiten. Die größten Erfolgsaussichten hat eine Augmentation mit Lithium, Neuroleptika oder Schilddrüsenhormonen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Manche Patienten hat die Depression besonders fest im Griff.

Manche Patienten hat die Depression besonders fest im Griff.

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BERLIN. Therapieresistente Depressionen sind ein häufiges Problem in der ambulanten und stationären Psychiatrie. "In der täglichen Praxis sprechen wir von Therapieresistenz, wenn ein Patient auf zwei ausreichend dosierte antidepressive Therapien aus unterschiedlichen Wirkstoffklassen über mindestens vier bis sechs Wochen nicht angesprochen hat", erläuterte Professor Michael Bauer bei einem Kongress in Berlin.

Plasmakontrolle zeigt, ob eine Resistenz vorliegt

Was tun in einer solchen Situation? Der Experte von der psychiatrischen Klinik am Uniklinikum Dresden empfahl, zunächst eine "Pseudoresistenz" auszuschließen. Hier gilt es vor allem, die Compliance zu hinterfragen, notfalls durch die Messung der Konzentration des jeweiligen Wirkstoffs im Plasma.

Auch die Suche nach internistischen Begleiterkrankungen sei ein Muss: Vor allem eine Schilddrüsenunterfunktion kann den Erfolg von Antidepressiva verhindern. Selten können auch Polymorphismen im Gen für das Enzym Cytochrom 2D6 die Ursache des Misserfolgs sein.

 Sie lassen sich durch eine Bestimmung des Genotyps identifizieren. Liegt eine echte Therapieresistenz vor, dann erwägen viele Ärzte zunächst einmal, die Dosis zu steigern. Bauer sieht das bei den meisten Antidepressiva kritisch: "Besonders bei SSRI haben wir praktisch keine Dosis-Wirkungs-Beziehung", sagte der Experte.

Das wurde auch in Studien nachgewiesen. Zuletzt gab es in einer Doppelblindstudie keinen Vorteil für eine Verdopplung der Paroxetin-Dosis von 20 mg auf 40 mg im Vergleich zu 20 mg plus Placebo.

Einen gewissen Zusammenhang zwischen Dosis und Wirkung gebe es dagegen bei den trizyklischen Antidepressiva und beim Wirkstoff Venlafaxin. Hier komme es demnach in Betracht, eine Dosissteigerung zu erwägen.

Auch für die so genannte Switch-Strategie, also für den Wechsel von einem Antidepressivum auf ein anderes, sei der Nutzen bisher kaum belegt. Gute Switch-Studien, bei denen die Ausgangstherapie in Doppelblinddesign bei einem Teil der Patienten als Kontrollgruppe weitergeführt wird, gebe es kaum, berichtete Bauer.

 Eine kürzlich publizierte Metaanalyse habe genau drei solcher Studien gefunden. In der Gesamtschau hatte der Wechsel jedoch keinen Nutzen. Wer trotzdem wechseln möchte, der sollte zumindest die Wirkstoffklasse ändern, also nicht einen SSRI durch einen anderen ersetzen, empfahl Bauer.

Prinzipiell möglich, aber wenig in Studien untersucht sind Kombinationen von Antidepressiva. Bei Patienten, die primär mit einem SSRI oder einem Trizyklikum behandelt wurden, sind a2-adrenerge Antagonisten wie Mirtazapin und Mianserin Kombinationspartner mit der besten Evidenz.

"Diese Kombination wird in der S3-Leitlinie der DGPPN auch explizit erwähnt", sagte Bauer. Gefährlich sei hingegen die Kombination aus dem irreversiblem MAO-Hemmer Tranylcypromin und SSRI/SNRI: Hier riskiere man ein mitunter tödliches Serotonin-Syndrom.

Remissionsraten liegen mit Lithium über 40 Prozent

Wirklich gute Daten gibt es für eine andere Variante der Kombinationstherapie, die Augmentation. Hier werden Substanzen als Kombinationspartner des Antidepressivums eingesetzt, die selbst nicht primär antidepressiv wirken. "Der theoretische Vorteil der Augmentation im Vergleich zum Switch besteht darin, dass das schon Erreichte nicht aufgegeben werden muss, weil das Ausgangspräparat erhalten bleibt", erläuterte Bauer.

Der klassische Augmentationspartner ist Lithium. Dessen Nutzen hat eine Metaanalyse aus dem Jahr 2007 mit zehn Studien bestätigt. Erreicht wurde in der Gesamtschau eine Remissionsrate von 41 Prozent, gegenüber 14 Prozent in den Placebo-Gruppen, in denen weiterhin rein antidepressiv behandelt wurde.

"Wer mit Lithium augmentiert, sollte einen Serumspiegel von 0,5 bis 0,7 mmol/l anstreben", riet Bauer. Auch für eine Augmentation mit Schilddrüsenhormonen gibt es positive Daten. Bei Frauen sei der Effekt von Schilddrüsenhormonen allerdings deutlich ausgeprägter als bei Männern.

Gegenstand intensiver Forschung war in den letzten Jahren die Augmentation mit atypischen Neuroleptika. "Hier haben wir drei positive Studien mit Aripiprazol und zwei positive Studien mit Quetiapin", sagte Bauer. Zumindest Quetiapin ist für die Augmentation bei therapieresistenter Depression auch explizit zugelassen.

Insgesamt stehe Ärzten damit in der Augmentation eine ganze Reihe gut belegter Strategien zur Verfügung, die auch genutzt werden sollten, resümierte Bauer.

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