Mit Wärme gegen Depressionen

Vertreibt ein warmes Bad schlechte Stimmungen?

Mit der Badewanne kann man Depressionen vertreiben: Eine Ganzkörperwärmebehandlung scheint jedenfalls die Stimmung deutlich aufzuhellen – sogar über mehrere Wochen hinweg.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Öfter mal ein warmes Bad gönnen: Die Wärme stimuliert das Gehirn, so dass Depressionen verjagt werden.

Öfter mal ein warmes Bad gönnen: Die Wärme stimuliert das Gehirn, so dass Depressionen verjagt werden.

© John Slater / Digital Vision / Thinkstock

MADISON / USA. Moderne Antidepressiva können zwar vielen Patienten helfen, allerdings dauert es in der Regel zwei oder mehr Wochen, bis sich die stimmungsaufhellende Wirkung bemerkbar macht.

Forscher suchen daher nach schneller wirksamen Verfahren, und dabei gehen sie mitunter sehr ungewöhnliche Wege. So konnten US-Wissenschaftler um Dr. Clemens Janssen von der Universität in Madison in einer kontrollierten Studie erstmals zeigen, dass eine Ganzkörperwärmebehandlung die Stimmung von Depressiven nachhaltig aufhellt.

Stimulierungen bestimmter Hirnregionen hellen Stimmung auf

Die Forscher begründen ihren Therapieversuch mit Beobachtungen, wonach eine als angenehm empfundene Wärme bestimmte Hirnregionen wie den mittleren orbitofrontalen Kortex, das vordere Cingulum oder das ventrale Striatum aktiviert - Bereiche, in denen Depressive häufig eine verminderte Aktivität aufweisen. Ließe sich diese durch ein wohliges Wärmegefühl verstärken, könnte die Depression zurückgehen.

Eine erste Studie der Forscher um Janssen mit 16 Depressiven wies in diese Richtung, allerdings gab es keine Kontrollgruppe. Da die Placeboeffekte bei Depressionstherapien bekanntermaßen sehr ausgeprägt sind, wiederholten die Forscher den Versuch mit einer Gruppe, die eine Scheinbehandlung erhielt.

Körper auf 38,5 °C erhitzt

Die Wissenschaftler konnten 30 Patienten mit einer moderaten Depression gewinnen. Der Hamilton-Depressionsscore (HAMD17) lag zu Beginn bei rund 22 Punkten, die aktuelle Depressionsepisode hielt im Durchschnitt seit zwei Jahren an.

 Alle Depressiven durften sich einer Behandlung mit einem Ganzkörperhyperthermie-Gerät unterziehen (JAMA Psychiatry 2016; online 12. Mai). Sie machten es sich dabei auf einer Art Liege bequem, während Heizspiralen und Infrarotlampen über ihnen den Körper erhitzten.

In der Gruppe mit Scheintherapie blieben die Infrarotstrahler jedoch aus. Stattdessen wurden nur die Heizspiralen etwas aktiviert, um den Probanden das Gefühl einer Wärmebehandlung zu vermitteln.

Drei Viertel in Scheingruppe glaubte, Wärmebehandlung bekommen zu haben

Tatsächlich waren fast drei Viertel der Depressiven in der Kontrollgruppe nach der Intervention der Auffassung, die Wärmetherapie und nicht die Scheinbehandlung bekommen zu haben. In der Gruppe mit aktiver Therapie glaubte allerdings nur ein Patient, er habe die Scheintherapie erhalten.

Insgesamt erhielten 16 der Patienten die aktive und 14 die Scheintherapie. In der Nachbeobachtungszeit von sechs Wochen sollten die Patienten auf Antidepressiva verzichten.

Ziel war eine Kernkörpertemperatur von 38,5 °C, sie wurde in der Gruppe mit aktiver Therapie nach knapp zwei Stunden erreicht. Sobald die Fieberkurve auf diesen Wert angestiegen war, schalteten die Studienärzte sämtliche Lampen ab und ließen die Patienten noch eine Stunde zur Abkühlung liegen. Die Scheinbehandlung dauerte vergleichbar lange, auch danach mussten die Probanden noch eine Stunde liegen bleiben.

Im Schnitt stieg die Körpertemperatur in der Gruppe mit aktiver Behandlung um 1,9 °C auf 38,9 °C, in der Kontrollgruppe um 0,8 °C auf 37,7 °C. Letztlich wurde der Körper von Patienten mit der aktiven Therapie um ein Grad stärker erhitzt als bei Personen aus der Kontrollgruppe.

Stimmung besserte sich rasch

Schon nach einer Woche zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen: Mit aktiver Therapie war der HAMD17-Wert um 6,1 Punkte gesunken, mit der Scheinbehandlung nur um 1,9 Punkte.

Nach zwei Wochen fanden die Forscher einen Rückgang um jeweils 8,0 und 4,0 Punkte. In den folgenden vier Wochen blieben die HAMD17-Scores in beiden Gruppen relativ stabil. Bei den Nebenwirkungen - hauptsächlich Kopfschmerzen, Fatigue und Mundtrockenheit - gab es keine signifikanten Differenzen zwischen den beiden Gruppen.

Nach diesen Daten, so schreiben die Forscher um Janssen, scheint eine einmalige Ganzkörperwärmetherapie die Stimmung anhaltend aufzuhellen. Allerdings solle man die Resultate nicht überbewerten - die Effektstärken waren geringer, als das üblicherweise in Studien mit Antidepressiva der Fall ist.

Wärmebehandlung als Ergänzung zu antidepressiver Behandlung

Die Wärmebehandlung kann eine spezifische antidepressive Behandlung folglich nicht ersetzen. Ein Manko ist zudem die geringe Teilnehmerzahl, - das Experiment sollte folglich mit deutlich mehr Patienten wiederholt werden.

Unklar ist zudem, ob die Art und Weise der Hyperthermie einen Einfluss auf das Ergebnis hat. Falls nicht, müssten sich ähnliche Effekte auch in der Badewanne oder mit einem Sonnenbad an einem warmen Tag erzielen lassen. Alle zwei Wochen eine warme Badewanne dürfte zumindest nicht schaden.

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