Demenz entwickelt sich bei über einem Drittel der Parkinson-Kranken

Aufgrund des steigenden Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung Deutschlands nimmt nicht nur die Prävalenz des Parkinson-Syndroms zu, sondern auch die Häufigkeit der mit dieser Erkrankung assoziierten Demenz. Bei mehr als 90 Prozent der Parkinson-Kranken kommt es zu kognitiven Beeinträchtigungen, die zum Teil schon während der Frühphase des Parkinson-Syndroms nachweisbar sind.

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So haben viele Patienten schon frühzeitig Schwierigkeiten, zum Beispiel sich zu konzentrieren, sich Namen zu merken oder rasch alternative Problemlösungen zu entwickeln. Positive Erfahrungen in der Therapie bei diesen Patienten hat man in den letzten Jahren mit Cholinesterase-Hemmern, vor allem mit Rivastigmin, gemacht.

Markus Naumann

Eine typische Demenz, wie sie durch die ICD10- oder DSM-IV-Kriterien definiert ist, entwickelt sich bei mindestens einem Drittel aller Parkinson-Patienten. Risikofaktoren für eine Parkinson-assoziierte Demenz sind

  • hohes Lebensalter,
  • positive Familienanamnese für Demenz,
  • schwere motorische Behinderung,
  • begleitende Depression und
  • ausgeprägte Störungen der exekutiven Funktionen.

Definitionsgemäß tritt die Demenz bei Morbus Parkinson erst ein bis zwei Jahre nach Beginn der motorischen Parkinson-Symptomatik auf. Dagegen wird eine diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung, die etwa zehn bis 15 Prozent aller Demenzen ausmacht, bereits innerhalb des ersten Jahres nach Beginn der motorischen Störungen beobachtet. Bislang nicht geklärt ist, ob die diffuse Lewy-Körperchen-Erkrankung eine eigene Erkrankung ist oder als Teil der Parkinson’schen Erkrankung angesehen werden muß.

Für die Lewy-Körperchen-Erkrankung liegen mittlerweile gute Diagnosekriterien vor, die eine recht zuverlässige klinische Einschätzung erlauben. Moderne bildgebende Verfahren wie FDG-PET (Fluorodeoxyglukose-Positronen-Emissions-Tomographie) und SPECT (Einzelphotonen-Emmissions-Tomographie) werden heutzutage zunehmend zur Diagnose der Demenz genutzt. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Abgrenzung der diffusen Lewy-Körperchen-Erkrankung vom Morbus Alzheimer und mit gewissen Einschränkungen auch vom Morbus Parkinson.

Kognitive Störungen und Demenzen können aber auch bei anderen degenerativen Parkinson-Syndromen auftreten, zum Beispiel bei der progressiven supranukleären Parese und der kortikobasalen Degeneration. Eine Demenz ist untypisch für die Multisystem-Atrophie, bei der allerdings auch kognitive Einschränkungen beobachtet werden können.

Progression läßt sich mit Cholinesterase-Hemmern bremsen

Bei Patienten mit diffuser Lewy-Körperchen-Erkrankung wie auch bei Patienten mit Parkinson-assoziierter Demenz hat man in den letzten Jahren positive Erfahrungen mit den Cholinesterase-Hemmern gemacht. Die beste Datenlage gibt es für Rivastigmin. Hier liegen zu beiden Erkrankungen außer kleineren Pilotstudien mittlerweile auch jeweils eine große randomisierte Placebo-kontrollierte Studie vor, die die Wirksamkeit belegen. Für Donepezil und Galantamin gibt es bislang positive Ergebnisse aus kleinen Pilotstudien.

Die Wirksamkeit von Rivastigmin (Exelon®) bei Patienten mit Parkinson-assoziierter Demenz ist in der EXPRESS-Studie (Exelon in parkinson’s disease dementia study) belegt worden (N Engl J Med 351, 2004, 2509). 541 Patienten mit milder bis mittelschwerer Demenz und 10 bis 24 Punkten im Mini-Mental-Test wurden 24 Wochen lang mit Rivastigmin (Tagesdosis 3 - 12 mg) oder mit Placebo behandelt.

Mit dem CholinesteraseHemmer sind bei diesen Patienten nach sechs Monaten ähnliche Effekte erzielt worden, wie sie bei Patienten mit Alzheimer-Demenz nachgewiesen sind. Dies betrifft sowohl die kognitiven Fähigkeiten, das Vermögen, im Alltag zurecht zu kommen, als auch die neuropsychiatrischen Symptome und den klinischen Gesamteindruck.

Zu Studienende ergab sich für die kognitive Leistung im ADAS-cog (Alzheimer’s Assessment Scale, Subskala für Kognition) eine Differenz von 2,8 Punkten zwischen Verum- und Placebo-Gruppe, die nach den Erfahrungen bei Alzheimer-Patienten einer Verzögerung der Krankheitsprogression um etwa ein halbes Jahr entspricht.

Die Therapie mit Rivastigmin hatte offensichtlich wenig Einfluß auf die motorischen Parkinson-Symptome, denn es ergab sich hierbei kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen.

Die dann offen weitergeführte Studie hat gezeigt, daß die positiven Effekte der Rivastigmin-Therapie auch nach einem Jahr noch feststellbar sind. In diesem Studienteil wurden auch die Patienten der ursprünglichen Placebo-Gruppe mit Rivastigmin behandelt. Auch bei ihnen besserte sich der klinische Gesamteindruck durch die Therapie, jedoch wurde das Ausgangsniveau nicht mehr erreicht.

Daß auch Patienten mit Lewy-Körperchen-Demenz von einer Therapie mit Rivastigmin profitieren, hat eine 20 Wochen dauernde Placebo-kontrollierte Studie bei 120 Patienten ergeben (Lancet 356, 2000, 2031).

Mit Rivastigmin in einer täglichen Dosis von bis zu 12 mg besserten sich die kognitiven Fähigkeiten, vor allem Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Auch die typischen Verhaltensstörungen wie Apathie, Depression, Wahnvorstellungen und Halluzinationen gingen bei 63 Prozent der Patienten der Verum-Gruppe zurück, in der Placebo-Gruppe nur bei 30 Prozent.

Mit Donepezil (Aricept®) konnte eine Besserung der kognitiven Fähigkeiten bei Patienten mit Parkinsonassoziierter Demenz in einer kleinen Placebo-kontrollierten Studie im Cross-over-design erreicht werden (J Neurol Neurosurg Psych 72, 2002, 708). 14 Parkinson-Kranke mit leichter bis mittelschwerer Demenz wurden jeweils zehn Wochen lang mit 10 mg Donepezil und mit Placebo behandelt.

Unter dem Cholinesterase-Hemmer erhöhte sich die mit dem Mini-Mental-Status-Test bestimmte kognitive Leistungsfähigkeit signifikant von im Mittel 20,8 Punkten zu Studienbeginn auf 22,8 Punkte, unter Placebo nur auf 21 Punkte. Der klinische Gesamteindruck besserte sich bei 42 Prozent unter Donepezil, mit Placebo nur bei 17 Prozent.

Für Galantamin (Reminyl®) haben sich in kleinen Pilotstudien bei Patienten mit Parkinson-assoziierter Demenz und mit Lewy-Körperchen-Erkrankung Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten und der Alltagskompetenz ergeben.

Prof. Dr. Markus Naumann, Neurologische Klinik und klinische Neurophysiologie, Klinikum Augsburg, Stenglinstr. 2, 86156 Augsburg, Tel.: 0821 / 400-2991, Fax: 400-2691, E-Mail: markus.naumann@klinikum-augsburg.de

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