MS-Therapie - Seriöses, aber auch Unseriöses

Für Patienten mit Multipler Sklerose gibt es hoffnungsvolle Therapieansätze. Hierbei gilt es nach Aussage von Experten jedoch, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Für MS-Kranke werden neue orale immunmodulatorische Substanzen geprüft.

Für MS-Kranke werden neue orale immunmodulatorische Substanzen geprüft.

© Bernd Ege / fotolia.com

BERLIN. Für Patienten mit Multipler Sklerose dürfte das vor Kurzem neu eingeführte orale Medikament Fingolimod für frischen Wind in der Behandlungslandschaft sorgen. Wenig angetan sind Neurologen dagegen von Venenstents und Stammzellversuchen.

Die neuen oralen immunmodulatorischen Substanzen, die sich derzeit reihenweise in den Pipelines der Hersteller befinden, dürften die Therapie von Patienten mit Multipler Sklerose sinnvoll ergänzen, erwartet Professor Frank Erbguth von der Klinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg.

Zwar hätten die europäischen Behörden mit Cladribin einem ersten derartigen Präparat die Zulassung verweigert. Weitere stehen aber ins Haus. Und bereits seit kurzem erhältlich ist die Substanz Fingolimod, ein synthetisches Derivat des Pilzbestandteils Myriocin, das als funktioneller Gegenspieler an Sphingosin-I-Phosphat-Rezeptoren agiert.

Fingolimod wirkt anders als jedes andere bisher bekannte MS-Medikament: "Es hält autoaggressive T-Lymphozyten in den Lymphknoten fest, sodass diese nicht ins ZNS wandern können", sagte Erbguth beim Praxis Update 2011 in Berlin. Möglicherweise wirke es auch direkt antiinflammatorisch.

Fingolimod wurde in zwei Phase- III-Studien im Vergleich zu Placebo und Interferon getestet. Einschlusskriterien waren jeweils mindestens ein Schub im Jahr vor Studienbeginn und ein Punktwert auf der MS-Symptomskala EDSS zwischen 0 und 5,5. Im Ergebnis war die jährliche Schubrate bei Fingolimod-Therapie signifikant geringer als bei Interferon- und bei Placebotherapie.

Erbguth betonte, dass der Stellenwert der Fingolimod-Therapie zunächst trotz dieser Daten vor allem bei Patienten liegen werde, die nicht auf Interferon ansprechen. Das liegt daran, dass mit Interferon jahrzehntelange Erfahrungen existieren, während die langfristigen Folgen eines völlig neuen immunologischen Therapieansatzes noch nicht zur Gänze eingeschätzt werden könnten.

Auch die Nachfolger von Fingolimod werden von den meisten Neurologen hoffnungsvoll erwartet. Andere neue Therapieansätze sorgen dagegen nicht für ungeteilte Begeisterung: So macht eine vor allem im Internet verbreitete Theorie venöse Stenosen und im Gefolge Abflussstauung und Endothelschädigung zur eigentlichen Ursache der MS.

Für Erbguth sind das unseriöse und durch nichts belegte Spekulationen. In einer kürzlich publizierten Studie bei 56 MS-Patienten und 20 Kontrollen gab es keinerlei Korrelation zwischen Venenbefund und MS (Annals of Neurology 2010; 68: 173).

Abgelehnt werden von Erbguth auch die von einigen kommerziellen Anbietern angebotenen Stammzelltherapien. Zwar seien Stammzellen grundsätzlich eine interessante Therapie-Option. Doch reichten die bisherigen Erkenntnisse nicht aus, um Therapieversuche zu rechtfertigen. Bei einem Kölner Anbieter sei im vergangenen Jahr gar ein zweieinhalbjähriger Junge bei einer solchen Therapie gestorben, erinnerte Erbguth.

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