Süchtige Eltern sollen engmaschig kontrolliert werden

BERLIN (af). Ärzte, die eine Drogen-Substitution anbieten, sowie Pädiater, Hebammen, Vertreter von Drogenhilfe und Jugendbehörden sollen Netzwerke bilden, um drogenabhängige Eltern zu beraten und zu unterstützen. Darauf haben sich Experten bei einer Anhörung des Fachverbandes Drogen- und Rauschmittel in Berlin verständigt.

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Ziel der von der Bundesdrogenbeauftragten Sabine Bätzing geförderten Initiative ist ein leitliniengestütztes, standardisiertes Betreuungsverfahren. "Wir brauchen einen Austausch darüber, unter welchen Umständen eine Drogenabhängigkeit mit Elternschaft vereinbar ist", sagte Bätzing.

Im Mittelpunkt der Expertendiskussion stand Heroinsucht. In Deutschland sind derzeit 150 000 Personen opiatabhängig, darunter schätzungsweise 20 000 Mütter. Zwischen 40 000 und 60 000 Kinder wachsen in Familien auf, deren Eltern Heroin spritzten oder in Methadonprogrammen registriert seien. In alkoholbelasteten Familien leben nach Angaben der Drogenbeauftragten derzeit 2,65 Millionen Kinder.

Bei Patienten, die erfolgreich eine Methadon-Therapie bekommen, könnten Kinder aufwachsen, sagte die Münsteraner Suchtforscherin Professor Christel Zenker. Die Mutterschaft biete jungen Frauen sogar eine gute Chance, aus der Drogenszene und der Abhängigkeit auszusteigen. Die dabei behandelnden Ärzte sollten Familienplanung zum Thema einer der ersten Sprechstunden machen, forderte Zenker.

Erst mit der Substitution von Drogen durch Methadon komme bei schwerabhängigen Frauen der Zyklus wieder in Gang, werde Schwangerschaft ein Thema. Ärzte sollten den Beigebrauch von Nikotin, Alkohol und Kokain wegen ihrer toxischen Wirkungen auf den Embryo kontrollieren.

Die Tagung in Berlin stand unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse um den kleinen Kevin in Bremen und der Schicksale anderer Kinder, die von ihren drogenabhängigen Eltern misshandelt oder getötet worden waren.

"Drogenabhängige Frauen müssen ihre Angst vor dem System verlieren", sagte Manuela Nagel, Sozialpädagogin an der Charité in Berlin. Meistens seien Kinder unerwünscht. Es gebe aber zuwenig Prävention vor der Schwangerschaft. Bereits bestehende Netze von Drogenhilfe, Ärzten und Behörden seien zu weitmaschig geknüpft.

Eine bessere Betreuung könne ein konsequentes Case Management anhand standardisierter Verfahren garantieren, sagte Thomas Bader, der Vorsitzende des Fachverbandes Drogen und Rauschmittel. Konkrete Vorschläge dazu gibt es: Die Fachleute stellen sich Angebote der Integrierten Versorgung an den Institutsambulanzen Psychiatrischer Kliniken vor, die mit Ärzten, Hebammen und den Gesundheitsämtern drogenabhängige Mütter betreuen könnten.

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