Suchtexperte
"Therapieziel ,Abstinenz' nicht für alle Suchtkranke geeignet"
BERLIN. Auf dem DGPPN-Kongress in Berlin haben Suchtexperten einen offenen Umgang mit Abhängigkeitserkrankungen und passgenaue Versorgungsangebote für Betroffene gefordert.
"Wir müssen Suchterkrankungen qualifiziert in das Gesundheitssystem integrieren und neben einem verbesserten Behandlungszugang auch einen nahtlosen Übergang in die Nachsorge sicherstellen. Gleichzeitig müssen wir Suchterkrankungen noch stärker thematisieren. Ein offensiver Umgang mit der Erkrankung trägt längerfristig auch zu deren Entstigmatisierung bei", so DGPPN-Präsidentin Dr. Iris Hauth in einer Mitteilung der DGPPN.
Die kurative Therapie, die Entzugsbehandlung, die vorwiegend in spezialisierten Abteilungen der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie stattfindet, werde durch Eingriffe der Kostenträger - etwa in Bezug auf Behandlungsdauer und Therapieziele - noch nicht voll ausgeschöpft, schreibt die DGPPN.
Die gesetzlich geregelten Zuständigkeiten beförderten keine leistungsfähige Vernetzungen mit dem Suchthilfesystem. Hilfeleistungen würden den Betroffenen noch zu wenig differenziert angeboten. Beispiel: Nur rund zehn Prozent der Alkoholabhängigen pro Jahr erhielten eine rehabilitative Behandlung.
Das standardmäßige Screening von Abhängigkeitserkrankungen sei in der ambulanten und stationären Versorgung immer noch nicht Realität .
"In der Therapie werden zwar gute Resultate erzielt, doch die öffentliche Meinung setzt Therapieerfolg meistens mit Abstinenz als Erfolgskriterium gleich und übersieht, dass dieses Therapieziel aus unterschiedlichsten Gründen nicht für alle Suchtkranke geeignet ist", stellt Dr. Heribert Fleischmann fest, stellvertretender Leiter des DGPPN-Fachreferates für Abhängigkeitserkrankungen und Vorsitzender der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). (eb)