Chronische Schmerzen erfordern eine komplexe Behandlungsstrategie
Bei der Therapie von Patienten mit chronischen Schmerzen muß berücksichtigt werden, daß die Schmerzen häufig sowohl neuropathische als auch nozizeptive Komponenten haben (mixed-pain). Zudem finden sich oft psychische Begleitsymptome wie Depression, Angst und Schlafstörung, die das Schmerzempfinden und -erleben stark beeinflussen. Das therapeutische Vorgehen in einem solchen Fall hat Dr. Rainer Freynhagen von der Uniklinik Düsseldorf auf einem Symposium von Grünenthal beim Deutschen Schmerztag in Frankfurt am Main erläutert.
Veröffentlicht:Eine 42jährige Patientin, die bereits zweimal an der Bandscheibe operiert worden ist, stellt sich mit erheblichen Schmerzen vor. Sie hat einen stark brennenden Dauerschmerz von 70 Prozent auf der visuellen analogen Schmerzskala (VAS). Zudem klagt sie über eine heftige Berührungsallodynie (VAS 80 Prozent), so daß sie eng anliegende Kleidung wie Unterwäsche und die Bettdecke kaum ertragen kann.
Bei beiden Beschwerden handelt es sich um neuropathische Schmerzen.Hinzu kommt eine nozizeptive Schmerzkomponente, denn die Patienten hat auch dumpfe, tiefsitzende und schlecht lokalisierbare Rückenschmerzen, die lage- und haltungsabhängig auftreten (VAS 50 Prozent).Auffällig sind außerdem psychische Symptome wie eine depressive Verstimmung, massive Schlafstörungen und erhebliche Zukunftsängste.
- Was ist bisher passiert?
- Was ist nun zu tun?
Unter der Diagnose Postdiskektomie-Syndrom erhält die Patientin gegen die neuropathischen Schmerzen und wegen der psychischen Komorbidität ein Antidepressivum. Da trizyklische Antidepressiva keine anxiolytische Wirkung haben, erhält sie 30mg Mirtazapin zur Nacht. Das Präparat wirkt nicht nur antidepressiv, anxiolytisch und schlafmodulierend, sondern auch analgetisch, wie eine erste Studie mit 600 Patienten ergeben habe.
Außerdem wird die Dosierung des Buprenorphin-Pflasters auf 70µg erhöht und zusätzlich ein COX-2-Hemmer - 20mg Valdecoxib - verordnet, da beide Medikamentengruppen synergistisch wirken. Begleitend erhält die Patientin eine Psychotherapie zur Angst-, Schmerz- und Streßbewältigung.Mit diesen Therapien kommt es innerhalb von vier Wochen zu einer deutliche Besserung einiger Symptome: Brennschmerzen und Rückenschmerzen haben deutlich nachgelassen, die Patientin schläft wieder besser.
Da die Allodynie jedoch nicht gelindert worden ist, erhält die Patientin zusätzlich das Antikonvulsivum Gabapentin, dessen Dosierung langsam auf 1200mg gesteigert wird. Mit dieser Therapie läßt sich die Allodynie deutlich vermindern. Ein Problem bleibt auch zehn Wochen nach Therapiebeginn die schlechte Motivation und Stimmungslage der Patientin, die in der Zwischenzeit einen Berentungsantrag gestellt hatte.