"Schmerz wird oft nicht als Krankheit anerkannt"

BERLIN (hak). Es ist ein Kampf an mehreren Fronten. Wenn Schmerztherapeuten die schwierige Situation für sich und ihre Patienten in Deutschland beklagen, richtet sich ihre Kritik gleichermaßen nach innen - Richtung Ärzteschaft - wie nach außen - Richtung Politik.

Veröffentlicht:

Weder die Strukturen im Gesundheitswesen noch das Selbstverständnis der Mediziner seien hilfreich, um die Situation der chronisch Schmerzkranken zu verbessern, sagt Professor Michael Zenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. "Viele Ärzte tun sich immer noch schwer, Schmerz als Krankheit anzuerkennen." Schmerz sei aber vielfach nicht das Symptom einer Krankheit sondern eine komplexe Erkrankung mit bio-psycho-sozialen Komponenten.

Dieser Dreiklang - die körperliche, die seelische und die gesellschaftliche Facette des Schmerzes - finde sich inzwischen sogar in einem neuen Diagnosenamen für das Krankheitsbild wieder: Chronischer Schmerz mit bio-psycho-sozialen Konsequenzen.

Die Versorgungsstrukturen folgen dieser Logik bislang allerdings nicht. "Die Behandlung von Patienten mit Schmerzen verlangt geradezu interdisziplinäre, integrierte Versorgungsansätze", sagt Professor Zenz. Bis jetzt seien aber weder offizielle Disease-Management-Programme zu dem Thema entwickelt worden, noch hätten Krankenhäuser die notwendigen finanziellen Möglichkeiten, adäquate Schmerztherapie zu organisieren. Eine Therapie mit interdisziplinärem Ansatz sei im neuen Vergütungssystem für Kliniken, den Fallpauschalen, nur ungenügend abgebildet.

Die Folgen für schmerzkranke Patienten sind "katastrophal", sagt Zenz. Wenn sie im ambulanten Bereich falsch therapiert werden, verlaufe ihre Krankheit häufig chronisch. Und wenn sie umfassend im Krankenhaus versorgt werden müßten, gebe es keine Betten. Bis zu einem halben Jahr müßten chronisch Schmerzkranke in Deutschland auf eine multimodale stationäre Therapie zur Zeit warten.

Wesentlicher Ansatzpunkt, die Schmerztherapie in Deutschland zu verbessern, ist für Professor Zenz die Aus- und Weiterbildung. "Schmerztherapie gehört in jedes Medizinstudium", sagt er. Bislang fehlt dieser Punkt aber in der Approbationsordnung. Nicht einmal einen Facharzt für Schmerz- und Palliativmedizin gibt es. "Schmerztherapie muß universitäres Lehrfach werden", sagt Zenz. "Uns fehlt die wissenschaftliche Spitze."

Negativ auswirken würde sich die Unwissenheit vieler Ärzte auf diesem Gebiet im ambulanten Bereich, bei den Hausärzten. "Sie haben eine Schlüsselposition für die Schmerztherapie", sagt Zenz. Bei der ersten Diagnose in einer Krankheitsgeschichte dürften keine Fehler gemacht werden. Niedergelassenen sei aber oft nicht klar, daß für Schmerzkranke Beratung vielfach besser sei als Behandlung. Statt einen Menschen mit Rückenschmerzen krank zu schreiben, sei es häufig besser, ihn mit Verhaltensregeln in den Alltag zurückzuschicken. "Falsch ist der Ratschlag, sich zu schonen", so Zenz.

Mehr zum Thema

Kopfschmerzen

Migräne: Welche Therapie bei älteren Patienten möglich ist

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

10 Fragen, 10 Antworten

Ausgeschlafen trotz Schichtdienst: Wie das klappen kann

Interview

Wie Ärzte in Stresssituationen richtig reagieren können

Lesetipps
Umrisse mehrere Menschen in bunten Farben.

© Pandagolik / stock.adobe.com

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an