WHO-Stufenschema wird zu sklavisch befolgt

FRANKFURT AM MAIN (hbr). Ein zentrales Ziel einer Schmerztherapie ist es zu verhindern, daß Schmerzen chronisch werden. Wichtig ist dabei vor allem die Initialtherapie. Genau hier sollte nach Ansicht von Privatdozent Michael Überall aus Nürnberg die derzeitige Praxis überdacht werden.

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"Wir wagen zu spät den Schritt von einem Stufe-1-Analgetikum zu einem Opioid", betonte Überall beim deutschen Schmerztag in Frankfurt am Main. Die schrittweise Abfolge des WHO-Stufenschemas ist seiner Ansicht nach nicht mehr zeitgemäß: "Wir leiten unsere Maßnahmen im Moment nur von den Symptomen ab, reduziert auf die Schmerzintensität." Der Schmerzexperte plädiert stattdessen für eine Mechanismen-orientierte Behandlung, die an den Ursachen ansetzt.

Und er geht noch weiter. Warum, so fragte er, sollte man nicht schon in der Initialphase anstelle der meist verwendeten Monotherapie eine Kombination einsetzen? Schließlich laufen beim Schmerz häufig mehrere Mechanismen nebeneinander ab. So könne etwa bei Patienten mit akuter Lumbo-Ischialgie eine Entzündungshemmung ebenso notwendig sein wie ein Mittel zur Muskelrelaxation, sagte Überall bei einem von AWD-Pharma unterstützten Symposium.

Zur initialen Schmerzlinderung könnte etwa das muskelrelaxierend wirkende Flupirtin (vom Unternehmen als Katadolon® angeboten) mit Tramadol als Retardpräparat kombiniert werden, um eine anhaltende Schmerzlinderung zu erreichen. Flupirtin greift in die Neuromodulation der Nervenzellen ein und hemmt die Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses.

Durch eine solche frühzeitige Kombination von Medikamenten mit verschiedenen Wirkmechanismen könnte auch die Zahl der Patienten mit chronifizierten Schmerzen verringert werden, resümmierte Überall. Denn deren Zahl ist hoch: 15 Millionen Menschen sind nach Angaben von Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, in Deutschland chronisch schmerzkrank.

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