Studie

Wirkt Marihuana gegen neuropathische Schmerzen?

Viele chronisch Schmerzgeplagte hoffen auf Linderung durch Marihuana. Kanadische Forscher haben nun untersucht, ob solche Hoffnungen berechtigt sind.

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TORONTO. Vielzahl und Leidenschaft der Debatten über Nutzen und Schaden von Marihuana in der Medizin kontrastieren auf merkwürdige Weise mit der relativ dürren wissenschaftlichen Datengrundlage, auf der sie geführt werden.

Das musste auch ein Wissenschaftlerteam um den Schmerzspezialisten Amol Deshpande vom University Health Network in Toronto feststellen.

Die Wissenschaftler suchten nach randomisierten und kontrollierten Studien hinreichender Qualität zum Thema chronischer, nicht tumorbedingter Schmerzen.

Sie fanden sechs: Fünf befassten sich mit neuropathischen Schmerzen, eine Studie hatte die Spastik bei Patienten mit Multipler Sklerose im Blick und wertete die Wirkung auf Schmerzen als sekundären Endpunkt aus.

Beteiligt waren insgesamt 226 Patienten (Can Fam Physician 2015; 61: e372-381).

Keine ernsten Nebenwirkungen

Beim untersuchten Wirkstoff handelte es sich jeweils um Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC). In keiner der vorliegenden Studien zum Neuropathieschmerz wurde er allein eingesetzt, das heißt in Rauch oder Dampf inhaliert. Vielmehr ergänzte er die bestehende Schmerztherapie, zu der auch Opioide und Antikonvulsiva gehören konnten.

Der schmerzlindernde Effekt von Marihuana fiel zwar in jeder einzelnen Studie statistisch signifikant aus.

Allerdings wurde nur in drei Studien von einer klinisch relevanten Schmerzminderung berichtet. Darunter ist je nach Definition eine Reduktion der Schmerzintensität um 30 Prozent oder um zwei Punkte auf einer Skala von 0 bis 10 (stärkste Schmerzen) zu verstehen.

Wie zu erwarten, zeitigte der Cannabiskonsum Folgen für die Neurokognition. Aber auch über visuelle, gastrointestinale und muskuloskeletale Nebeneffekte wurde berichtet.

Ernste Nebenwirkungen traten nicht auf, allerdings wurden keine Langzeiteffekte untersucht. Die Studien erstreckten sich über maximal fünf Tage.

Relativ gering wie die Effekte waren auch die eingesetzten THCDosen. Sie reichten von knapp 2 mg bis 34 mg THC täglich. Schon in weniger liberalen Zeiten waren in Kanada siebenmal höhere Dosen für den medizinischen Einsatz zulässig.

Die in den Studien verwendeten Dosen liegen aber in einer Größenordnung, wie sie die Fachinformation eines in Deutschland erhältlichen THC-Präparates für die Behandlung von MS-Patienten mit anders nicht beherrschbarer Spastik vorsieht. (rb)

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