Forscher vermuten

Weniger Schmerzen durch virtuelle Realität

Augen auf und durch: Forscher haben getestet, wie Virtual-Reality-Brillen das Schmerzempfinden von Menschen mindern können.

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In einem Testversuch reagierten Probanden mit einer VR-Brille weniger empfindlich auf Hitze.

In einem Testversuch reagierten Probanden mit einer VR-Brille weniger empfindlich auf Hitze.

© alexey_boldin / Fotolia

BARCELONA. Beim Arztbesuch virtuelle Pinguine beim Schwimmen beobachten oder den Mount Everest besteigen – ein Ausflug in die virtuelle Realität kann Patienten von einer schmerzhaften Behandlung ablenken. Dies haben Forscher um Birgit Nierula von der Universität Barcelona stellen nun in einer online-Publikation der Fachzeitschrift "Journal of Pain" einen neuen Ansatz vor, der Patienten mithilfe von Virtual-Reality-Brillen helfen können, Schmerzen weniger stark zu spüren. Der Effekt ist allerdings überschaubar.

Bereits seit Jahren ist bekannt, dass Menschen weniger empfindlich sind, wenn sie während einer schmerzhaften Behandlung auf ihren Körper sehen. Das haben etwa Patrick Haggard und Matthew Longo vom University College London herausgefunden, als sie die Hände Freiwilliger mit einem schmerzhaften Infrarot-Laser bestrahlten.

Die Teilnehmer schauten währenddessen entweder ihre Hand oder aber ein kleines Buch an. Dabei spürten jene Menschen, die auf ihre Hand sahen, den Schmerz schwächer. Auch das Schmerzzentrum ihres Gehirns war weniger aktiv als das jener Freiwilligen, die auf das Buch sahen. Aufgrund dieser Befunde, wurde vermutet, dass die Probanden beim Ansehen ihrer Hand deswegen weniger Schmerz spürten, weil sich ihr Körper auf den Laser vorbereitete und die Schmerzschwelle automatisch erhöhte.

Die Neurowissenschaftler um Nierula prüften nun, ob dieser Effekt auch mithilfe virtueller Realität funktioniert. Dabei nutzten sie ein psychologisches Phänomen: Bei der sogenannten Gummihand-Illusion nehmen Menschen unter bestimmten Umständen eine unechte Hand als Teil ihres Körpers wahr.

Die Forscher ließen 19 Freiwillige zunächst auf einem Stuhl sitzen und setzten ihnen eine Virtual-Reality-Brille auf. Durch diese sah jeder Proband eine Person, die in der gleichen Position auf einem Stuhl saß wie er selbst. Sie hielt einen Knopf in der linken Hand, genau wie der Teilnehmer. Wenn nun der virtuelle Knopf vibrierte, spürte der Teilnehmer eine Vibration in der eigenen Hand. So sollte er die virtuelle Hand als Teil des eigenen Körpers empfinden.

Im nächsten Schritt untersuchten die Forscher, ob die Freiwilligen unempfindlicher gegenüber Schmerzen waren, wenn sie auf das virtuelle Körperteil sahen. Die Teilnehmer nahmen Elektroden in die rechte Hand, die sich langsam aufheizten. Sie mussten beurteilen, ab wann die Hitze schmerzhaft wurde.

Das Resultat: Wenn die Freiwilligen die virtuelle Hand als Teil ihres Körpers wahrnahmen, waren sie weniger schmerzempfindlich. Sie meldeten erst ab durchschnittlich 45,2 Grad, dass ihnen die Elektrode zu heiß wurde. Den anderen Teilnehmern wurde der Schmerz bereits ab 44,7 Grad zu viel.

"Bisher hat man die virtuelle Realität vor allem zur Ablenkung während schmerzhafter Behandlungen genutzt", sagt Nierula. "Jetzt wissen wir, dass man diese Technik auch dazu nutzen könnte, Patienten Bilder eines Körpers zu zeigen und damit ihr Schmerzempfinden zu verringern." Denn beim Ansehen des Körpers, so vermutet Nierula, aktiviere das Gehirn bestimmte Mechanismen zur Schmerzlinderung. Das sei jedoch noch Spekulation. Die genauen Mechanismen wollen die Forscher nun klären.

Für den Philosophen Thomas Metzinger von der Universität Mainz, der sich seit langem mit dem Thema befasst, birgt dieser Ansatz Potenzial: "Diese Forschung ist sehr nützlich und vielversprechend, da sie aufdeckt, wie man die virtuelle Realität therapeutisch nutzen kann, um Schmerzen zu lindern." (dpa)

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Kommentare
Gertrud Schneider 15.02.201716:50 Uhr

dazu braucht man keine technischen Geräte

Hallo,
ich bin immer wieder überrascht, wie unbekannt bei uns organischen Medizinern selbsthypnotische Fähigkeiten sind. Man hat doch schon vor Jahrhunderten bis heute ohne Narkose Operationen (in China alle Arten) durchgeführt. Die Mehrheit der Zahnmediziner bohrt doch heute nicht mehr ohne örtliche Betäubung und selten findet eine vaginale Entbindung ohne Peridurale statt, was im übrigen bis vor 40 Jahren die Regel war. Wir Menschen sollen keine Schmerzen ertragen müssen, die Medizin befreit von allem Leid, ich spreche nicht von einer ordentlichen Schmerztherapie, die Menschen nie vorenthalten werden dürfen. Dabei können ohne Schmerzmittel erlebte Geburten oder gebohrte Zähne die Menschen so stolz machen, wenn sie , angeleitet durch entsprechend erfahrene Hebammen und Zahnärzte Selbsthypnose erlernen. Ebenso weiß die Wissenschaft, daß Ablenkung ( Konzentration) gleich welcher Art (Erzählen einer Geschichte, sich mit etwas beschäftigen, was einen Spaß macht oder interessiert, Sich in geliebte Musik vertiefen, Meditation oder auch nur Konzentration auf den Atem, z.B. beim Yoga-Atmen jeden Schmerz mindert. Ein ganz anderer Bereich, wo es nicht um Schmerz geht, wo durch Visualisierung z.B. Chemotherapie (Simonton) die Nebenwirkungen verrringert werden oder bei Kindern mit Frakturen diese viel schneller verheilten. Deshalb lautet meine Überschrift: Es gibt schon zahlreiche Untersuchungen, die dasselbe ohne eine virtuelle Realitätsbrille ergaben, wer gibt das Geld für solche Untersuchungen und warum werden wir -die Menschen- nicht über diese Zusammenhänge informiert und geforscht, warum sich evtl. trotz Aufklärung viele Frauen (Geburt) und Mütter ( beim Zahnbohren bei ihren Kindern) trotz der immer bleibenden Gefahr einer Lokalanästhesie doch für diese entscheiden und sie dann zumindest nachdenklich zu machen und vielleicht ermutigen, sich mit ihren "Kräften" auseinander zu setzen und neue Stärken zu entwickeln und für mehr Selbstvertrauen zu sorgen.
Beste Grüße
Schneider

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