Kleber und Knochen fürs Kniegelenk

Mit körpereigenen Zellen haben Chirurgen Kniegelenkdefekte bei jungen Patienten rekonstruiert.

Veröffentlicht:
Kniegelenk: In Hannover setzen Ärzte auf ein neues Verfahren zur Behandlung von Defekten.

Kniegelenk: In Hannover setzen Ärzte auf ein neues Verfahren zur Behandlung von Defekten.

© Sebastian Schreiter / Springer

BERLIN (ner). Mit einem experimentellen Verfahren haben Unfallchirurgen an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) fünf Patienten im Alter von 24 bis 36 Jahren mit großen Defekten an den medialen Femur- und/oder Tibiakondylen behandelt.

Ursachen der Defekte waren Unfälle, avaskuläre Nekrose, Osteochondrosis dissecans oder Infektion nach Fraktur, wie Professor Michael Jagodzinski von der MHH beim Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) berichtet hat.

Mit einem Computer-Algorithmus und 3D-Daten - auch des gesunden kontralateralen Kniegelenks - wurden individuelle Implantatmodelle aus Kunststoff angefertigt (Rapid Prototyping).

Diese dienten intraoperativ dazu, mit einer Kopierfräse entsprechende Knochenimplantate aus körpereigenen Beckenkamm-Spänen herzustellen. Diese wurden dann mit Titanschrauben fixiert.

Kultivierte Knorpelzellen

Zudem waren bei den Patienten sechs bis acht Wochen vor der Op Knorpelzellen entnommen und kultiviert worden. Nach Implantation der Ersatzknochen-Stücke besiedelte der Operateur die neue Gelenkfläche mit den sogenannten Chondrosphären - dies sind Kügelchen mit je etwa 40.000 Knorpelzellen.

Diese Knorpelzell-Suspension verklebt nach 20 Minuten mit der Oberfläche. Meist waren zusätzliche Maßnahmen wie Tibiakopfosteotomien erforderlich.

Den Patienten blieb mit der Behandlung vorerst eine Endoprothese erspart; inzwischen wurden sie bis zu zwei Jahre nachuntersucht. Drei Monate nach der Op waren zudem arthroskopisch Biopsien entnommen worden.

Die SPECT (single photon emission computed tomography) ergab deutlich gesteigerte Knochenstoffwechsel ohne Zeichen von Transplantatnekrosen. Die Biopsien zeigten lebensfähigen subchondralen Knochen und hyalinen Knorpel.

Biologische Grenzen

Der Funktionsscore KOOS (Knee Injury Osteoarthritis and Outcome Score) verbesserte sich im Durchschnitt von initial 20 auf etwa 70 von 100 erreichbaren Punkten.

Die Implantate bauten sich im Verlauf entsprechend der mechanischen Belastung um - nicht belastete Areale lösten sich auf. Explantationen mussten nicht vorgenommen werden, die Patienten sind ohne Gehhilfen mobil.

Jagodzinski warnte vor überzogenen Hoffnungen: "Es wird sicher binnen zehn Jahren eine Progression der Arthrose eintreten", sagte er. Die Methode habe biologische Grenzen, die noch ausgelotet werden müssten.

Bei generalisierter Gelenksarthrose sei das Verfahren nicht geeignet. Für sehr große Defekte müssten womöglich gefäßgestielte Beckenkamm-Späne genutzt werden.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kniegelenk

Neue Gonarthrose-Leitlinie setzt mehr auf Eigeninitiative

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neuerungen der STIKO-Impfempfehlungen

Meningokokken: Warum gerade Jugendliche geimpft werden sollten

Stellungnahme der American Academy of Sleep Medicine

Schläfrige Patienten: Müdigkeitsanamnese auf keinen Fall verschlafen

Lesetipps
Steckt da die richtige Karte drin, oder muss sie etwa zum Jahreswechsel ausgetauscht werden? Die KBV warnt Vertragsarztpraxen vor Untätigkeit bei älteren Konnektoren und Arztausweisen, weil anderenfalls der TI-Zugang blockiert wäre.

© Ingenico Healthcare

Austausch notwendig

KBV rät dringend: Jetzt Ersatz für ältere Konnektoren beschaffen

Hat eine Patientin mit metabolischer Fettleber zusätzlich eine Hypertonie, sollte der Fibroseverlauf strenger kontrolliert werden.

© Anna Khomulo / stock.adobe.com

Synergistischer Effekt

Hypertonie verschlimmert wohl metabolische Fettleber