Algorithmus hilft, Prothesen-Infekt zu erkennen

BASEL (ner). Ist eine Gelenkprothese infiziert oder nicht? Muß sie ausgetauscht werden? Wie lange und womit sollte antibiotisch behandelt werden? Der gegenwärtige Kenntnisstand erlaubt eine rational begründete Behandlungsstrategie, berichten Dr. Werner Zimmerli von der Universität in Basel und seine Kollegen.

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Der Orthopäde am Kantonsspital Liestal in der Schweiz hat gemeinsam mit Infektiologen einen Therapie-Algorithmus erarbeitet. Er ist kürzlich im "New England Journal of Medicine" (351, 2004, 1645) veröffentlicht worden.

    Einzelne Werte des C-reaktiven Proteins
sind kaum aussagekräftig.
   

In dem Algorithmus wird die Behandlung zum Beispiel von der Dauer der Symptome (weniger oder mehr als drei Wochen), dem Zustand der Gelenkprothese (stabil oder instabil) und der Weichteile sowie von mikrobiologischen und Labor-Befunden abhängig gemacht.

Eine Infektion liege mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor bei einer Leukozyten-Zahl von mehr als 1700 pro mm3 oder bei einem Anteil von mehr als 65 Prozent neutrophiler Granulozyten in der Synovialflüssigkeit.

Im Gegensatz dazu seien einzelne Werte von C-reaktivem Protein (CRP) oder die Leukozyten-Zahl im Blut kaum aussagekräftig, schreiben Zimmerli und seine Kollegen. So braucht der CRP-Wert nach der Operation Wochen, bis er auf Normalwerte absinkt.

Röntgenaufnahmen können wertvolle Hinweise liefern

Die Ergebnisse histopathologischer Tests hängen sehr vom Untersucher ab. Bei mikrobiologischen Untersuchungen des periprothetischen Gewebes schwankt die Sensitivität zwischen 65 und 94 Prozent. Kulturen aus Abstrichen lehnen Zimmerli und seine Kollegen aus verschiedenen Gründen ab - insgesamt sei die Sensitivität dieses Verfahrens zu niedrig. Dagegen könnten einfache Röntgenaufnahmen weitere wertvolle Hinweise liefern.

Antibiotika, die bei Infektionen von Gelenkprothesen verwendet werden, sollten im Idealfall gegen langsam wachsende und Biofilm-bildende Mikroorganismen wirksam sein. Dies trifft nach Angaben der Infektiologen auf Rifampicin zu, welches zudem mit Fluorchinolonen kombiniert werden sollte.

Allerdings würden zunehmend Resistenzen von Staphylokokken gegen Chinolone registriert. Alternativ stehen Fusidinsäure, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Minocyclin und Linezolid zur Verfügung, die ebenfalls mit Rifampicin kombiniert werden. Insgesamt sollten Patienten mit infizierten Hüftprothesen drei Monate und solche mit infizierten Knieprothesen wegen der im Vergleich schlechteren Weichteilsituation sechs Monate antibiotisch behandelt werden.

Bei mehr als drei Wochen andauernden Infektionssymptomen muß die Prothese ausgetauscht werden. Dabei liegen sowohl für den Austausch in einer Operations-Sitzung als auch das zweizeitige Vorgehen mit Ausbau, mehrwöchigem Intervall und Einbau mit über 90 Prozent gute Erfolgsraten vor. Besonders bei schwierigen Weichteilverhältnissen wird das zweizeitige Vorgehen bevorzugt.

Intraoperativ wird Gewebe zur Untersuchung gewonnen

Zwei Wochen vor der Reimplantation der Prothese sollte die Antibiotika-Behandlung der Patienten ausgesetzt werden, um intraoperativ geeignetes Gewebe für die mikrobiologische Untersuchung gewinnen zu können. Davon machen Zimmerli und seine Kollegen abhängig, ob die Antibiose nach der Operation fortgesetzt wird oder nicht.



Infizierte Prothese

Die Rate intraoperativer Infektionen wird in der Hüft- und Schulterendoprothetik mit etwa einem Prozent, in der Knie-Endoprothetik mit weniger als zwei Prozent angegeben. Die Infektionen manifestieren sich innerhalb von drei Monaten nach dem Eingriff mit einen akuten Beschwerdebild oder als sogenannte Low-grade-Infektionen mit über Monate anhaltenden mehr oder weniger starken, persistierenden Beschwerden, die teilweise schwer von Lockerungszeichen zu unterscheiden sind. Spätinfektionen (mehr als zwei Jahre nach Prothesen-Implantation) haben meist eine hämatogene Ursache. Infektionsquellen sind dann etwa Entzündungen von Haut, Gebiß, Respirationstrakt oder harnableitenden Organen. (ner)

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