Ein Gipsarm verändert das Gehirn

Ein gebrochener Arm wirkt sich in relativ kurzer Zeit auf die Gehirnstruktur aus. Die dazugehörigen motorischen und somatosensorischen Areale schrumpfen, während sie in der anderen Hirnhälfte wachsen. Extremitäten sollten daher nur so kurz wie nötig ruhig gestellt werden.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Junge Frau mit Gipsarm: Es erfolgt ein rascher Umbau des Nervensystems.

Junge Frau mit Gipsarm: Es erfolgt ein rascher Umbau des Nervensystems.

© drubig-photo / fotolia.com

ZÜRICH. Wenn der rechte Arm gebrochen ist und anschließend ruhig gestellt wird, hat das entsprechende motorische Areal in der linken Hirnhälfte nicht mehr viel zu tun: Synapsen werden massiv ab- und umgebaut, und dies wirkt sich in überraschend kurzer Zeit auch auf das Volumen der Hirnrinde aus, berichten Forscher um Professor Lutz Jäncke von der Universität Zürich (Neurology 2012; 78: 182-188).

Jänckes Team hatte die Gehirne von zehn Rechtshändern mit rechtsseitigen Oberarmfrakturen per MRT analysiert, und zwar zwei Tage nach dem Unfall sowie 16 Tage nach der Ruhigstellung.

Nach 16 Tagen war das Volumen im linken primären motorischen und somatosensorischen Kortex signifikant zurückgegangen - vor allem in den Gebieten, die die rechte Hand repräsentieren.

Zugleich beobachteten die Forscher eine Zunahme des Volumens in den entsprechenden rechtsseitigen Hirnarealen, und zwar um so mehr, je besser es der linken Hand gelang, die Funktionen der rechten zu übernehmen - je besser die Patienten damit also schreiben, essen oder Zähne putzen konnten.

Auswirkungen auf graue Zellen und weiße Substanz

Die Ruhigstellung hatte allerdings nicht nur Auswirkungen auf die grauen Zellen, sondern auch auf die weiße Substanz. Per Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) beobachteten die Forscher in den kortikospinalen Fasertrakten, die Signale der rechten Hand übertragen, eine Abnahme der fraktionalen Anisotropie. Dies deutet auf eine Schwächung dieser Bahnen.

Dagegen nahm die Anisotropie in den jeweiligen Bahnen für die linke Hand zu. Daraus lasse sich ein rascher Umbau des motorischen und somatosensorischen Nervensystems nach einer Immobilisierung ableiten. Man sollte daher eine verletzte Extremität so kurz wie möglich und nur so lange wie unbedingt nötig ruhigstellen, schreiben die Autoren.

Dies sei auch bei Schlaganfallpatienten mit Halbseitenlähmungen zu beachten, bei denen man den funktionsfähigen Arm fixiert, um die Motorik des gelähmten Arms zu trainieren.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert