Interview

Fibromyalgie ist eher ein Syndrom

Fibromyalgie ist offenbar die gemeinsame Endstrecke mehrerer Krankheiten, sagt Professor Ulrich Egle aus Gengenbach. Beim diesjährigen Praxis Update wird der Experte mehrere Behandlungsstrategien vorstellen.

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Prof. Ulrich T. Egle

© med update

Aktuelle Position: Seit Januar 2006 Ärztlicher Direktor der Psychosomatischen Klinik Kinzigtal in Gengenbach

Ausbildung: Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Spezielle Schmerztherapie

Karriere: Im Jahr 1996 Berufung auf eine Professur mit Schwerpunkt Psychosomatische Schmerzdiagnostik und -therapie am Mainzer Uniklinikum

Ärzte Zeitung: Herr Professor Egle, Sie sagen, "die Fibromyalgie" gebe es nicht…

Professor Ulrich T. Egle: Unfähr 13,5 Prozent der Bevölkerung leiden an ganz realen multilokulären Schmerzen und psychovegetativen Be-schwerden. Dies ist aber keine eigenständige rheumatische Krankheit, sondern offenbar die gemeinsame Endstrecke mehrerer Krankheiten. Darauf weisen die Ergebnisse von älteren und aktuellen klinischen Studien hin.

Ärzte Zeitung: Wie muss man sich das vorstellen?

Egle: Patientinnen - meist sind es ja Frauen - mit Fibromyalgiesyndrom oder FMS sind keine einheitliche Kohorte. Man kann nach Pathophysiologie, häufigsten Beschwerden und Behandlungsoptionen mindestens drei Patienten-Subgruppen unterscheiden.

Ärzte Zeitung: Welche Subgruppen sind das?

Egle: Etwa die Hälfte aller Menschen mit FMS leidet unter komorbiden Angsterkrankungen. Bei ihnen führen psychovegetative Vorgänge zu einem dauerhaft erhöhten Muskeltonus, der sich in Verspannungen und Schmerzen oft im Schulter-Nacken- und Lendenwirbelsäulenbereich äußert. Hier muss die zugrunde liegende Angststörung bekämpft werden. 30 bis 40 Prozent haben eine Somatisierungsstörung mit dem Leitsymptom Schmerz und zusätzlich Schwindel, Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden oder Herzrasen.

Eine Ursache kann Gewalt in der Kindheit sein. Dann empfehlen sich Gruppentherapien mit Schmerz- und Stressverarbeitungstraining und Änderung bestehender Beziehungsmuster.

Ärzte Zeitung: Und die übrigen Patienten?

Egle: Bei etwa zehn Prozent erwächst das FMS aus einer posttraumatischen Belastungsstörung, sie waren im Erwachsenenalter hochtraumatischen Erlebnissen ausgesetzt. Sie können mit Imaginationsverfahren oder - nach Stabilisierung - mit Verhaltenstherapien behandelt werden.

Ärzte Zeitung: Welche Rolle spielt dann der Rheumatologe bei Patienten, die an einer Fibromyalgie erkrankt sind?

Egle: Nur er kann entzündlich-rheumatische Differenzialdiagnosen ausschließen, etwa die seltene Polymyalgia rheumatica. Für Patienten mit FMS jeglicher Genese kann er allerdings selbst nicht viel tun, zumal sie auf medikamentöse Therapien oft nur schlecht ansprechen.

Das Interview führte Simone Reisdorf.

Das Praxis Update findet an vier Orten und zwei Terminen statt: am 06. und 07. Mai 2011 in Berlin und München, am 20. und 21. Mai 2011 in Wiesbaden und Düsseldorf. Es gibt bei Teilnahme an beiden Tagen 16 CME-Punkte.

Weitere Informationen unter www.praxis-update.com

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