Progesteron bringt Spermien auf die richtige Spur

TITISEE (kat). Je genauer man hinschaut, desto komplexer erscheinen oftmals physiologische Vorgänge. So auch bei der Befruchtung. Heute sind Chemotaxis-Forscher überzeugt, daß physiologisch wichtige Lockstoffe wie Progesteron nicht nur darüber entscheiden, daß das Spermium sein Ziel, die Eizelle, erreicht, sondern in sequentieller Weise verschiedene Ereignisse modulieren, die der Befruchtung vorangehen.

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Im Laufe der vergangenen Jahre sind Wissenschaftler zu der Überzeugung gelangt, daß die Chancen eines Spermiums, die Eizelle zu erreichen, sehr gering sind, wenn sie nicht gezielt zu den Eizellen gelockt werden. An solchen Vorgängen sind meist chemische Stoffe beteiligt.

Die Eizelle oder die sie umgebenden Cumuluszellen, die sie mit Nährstoffen versorgen, produzieren nicht nur bei wirbellosen Meeresbewohner, Fischen und Amphibien, sondern auch bei einigen Wirbeltieren Botenstoffe, die Spermien anlocken. Die Spermien wiederum sind in der Lage, das Konzentrationsgefälle des chemischen Lockstoffes wahrzunehmen und ihre Schwimmbewegung entsprechend anzupassen.

Als vor ungefähr zehn Jahren die Suche nach den chemischen Lockstoffen für Spermien bei Menschen begann, hatte Professor Michael Eisenmann vom Weizmann Institute of Science in Rehovot in Israel schon einmal Progesteron als möglichen Kandidaten untersucht. Damals mit negativem Ergebnis. Wie sich jetzt herausstelle, war damals im falschen Konzentrationsbereich geforscht worden. Denn wie man heute weiß, wirkt Progesteron im mikromolaren Bereich anders als in eine Million Mal geringerer Konzentration, also im picomolaren Bereich.

Wettlauf der Spermien ist nur im Uterus von Bedeutung

Bei der diesjährigen Titisee-Konferenz "Mechanisms of Chemotaxis" des Boehringer Ingelheim Fonds (BIF) stellte Professor Laura Giojalas de Carranza aus Cordoba in Argentinien ihre aktuellen Forschungsdaten dazu vor. Der BIF ist eine Stiftung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. De Carranzas Daten zufolge scheint der Wettlauf der Spermien nur im Uterus von Bedeutung zu sein. Nur etwa ein Spermium von einer Million Spermien erreicht den Ovidukt.

    Chemotaxis hilft bei Unterscheidung der Spermien.
   

Und auch von diesen, durch eigenen Antrieb und Muskelkontraktionen an den Beginn des Tubus gelangten Spermien können nur etwa zehn Prozent die Cumulusschicht durchdringen, an den Rezeptor der Eihülle binden, die Eihülle durchdringen und mit dem Zellkern verschmelzen. Die Reifung im unteren Isthmusabschnitt ist dafür entscheidend.

Nur Spermien, die die Fähigkeit zur Thermo- und Chemotaxis erwerben, meistern den entscheidenden Teil der Reise erfolgreich. Thermotaxis, also die Wahrnehmung von Temperatur-Unterschieden, ist für den ersten Teil des Weges den Isthmus hinauf wichtig, Chemotaxis für die letzte Wegstrecke (Nat Rev 7 / 4, 2006, 276).

Es ist inzwischen belegt, daß Cumuluszellen Progesteron synthetisieren und sezernieren. Auf die größte Distanz - also in picomolarer Konzentration - dient Progesteron der Chemotaxis. In nanomolarer Konzentration leitet es molekulare Vorgänge im Spermienkopf ein, mit denen das Eindringen des Spermiums in das Ei vorbereitet wird. In mikromolarer - größter - Konzentration schließlich beschleunigt es die Rotation der Spermium-Geißel. Damit verbessern sich die Chancen des Spermiums, die stark visköse Cumulusschicht zu durchdringen.

Spermien, die erfolgreich den Reifungsvorgang durchlaufen haben, können mit Hilfe der Thermo- oder Chemotaxis von anderen Spermien unterschieden werden. Das könnte künftig helfen, vor einer In-vitro-Fertilisationen eine bessere Selektion der fitten Spermien zu erzielen und damit die Erfolgsrate zu erhöhen.



STICHWORT

Chemotaxis

Als Chemotaxis wird die Eigenschaft freibeweglicher Organismen - Bakterien, aber auch verschiedene Körperzellen wie Leukozyten - definiert, auf chemische Stoffe oder deren Konzentrationsunterschiede durch eine gerichtete Bewegung darauf zu oder davon weg zu reagieren. Bakterien zum Beispiel werden dadurch angelockt oder abgestoßen. Sie reagieren auf Aminosäuren und schwimmen darauf zu, aber auch auf Zucker wie Glukose oder auf Sauerstoff. Leukozyten reagieren auf Bakteriengifte und werden durch sie bei der Eiterbildung angelockt. Und Spermien von Menschen werden von Progesteron und vom Duftstoff Bourgeonal (Maiglöckchen-Duft) angelockt. Auch atriales natriuretisches Peptid ist als Auslöser einer Chemotaxis bei Spermien bekannt. Vermutlich gilt dies auch für Heparin und Hyaluronsäure.

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