Nordrhein-Westfalen

Kassen spannen Sozialgerichte zunehmend ein

In NRW verzeichneten die Sozialgerichte 2013 zunehmend Streitigkeiten zwischen Kassen, Kliniken und Apothekern.

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ESSEN. Die Sozialgerichte in Nordrhein-Westfalen haben im vergangenen Jahr einen starken Anstieg der Verfahren im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung verzeichnet. Der Grund waren nicht steigende Klagen von Versicherten gegen Leistungsverweigerungen durch die Kassen, sondern Auseinandersetzungen zwischen Krankenhäusern und Kassen sowie Apothekern und Kassen.

Die acht Sozialgerichte verzeichneten 2013 insgesamt 9887 Eingänge im Bereich der Krankenversicherung. Das war eine Steigerung um 36,6 Prozent. Viele Kliniken streiten sich gerichtlich mit den Kassen über die Abrechnung von Pflegesätzen, berichtete Martin Löns, Vizepräsident des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen, bei der Jahrespressekonferenz des Gerichts in Essen.

Zwar ist für solche Fälle ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vorgesehen, wenn der Streitwert 2000 Euro nicht übersteigt. In NRW ist die zuständige Schiedsstelle aber noch nicht eingerichtet. "Viele Häuser legen deshalb vorsichtshalber Klage ein", sagte Löns.

Immer häufiger würden die Kliniken versuchen, in konkreten Einzelfällen höhere Vergütungen durchzusetzen, etwa aufgrund längerer Verweildauern der Patienten. Die Apotheker streiten mit den Kassen über Apothekenabschläge. "Wir haben mehrere hundert Verfahren, in denen Apotheker die Rabatte zurückfordern."

Der Hintergrund: Die Kassen dürfen Großkundenrabatte in Anspruch nehmen - aber nur, wenn sie die Apothekenrechnung innerhalb von zehn Tagen bezahlen. Nach einem Schiedsspruch mussten die Kassen bereits einen Teil der Rabatte zurückzahlen. "Manche Apotheker verlangen jetzt aber die Zahlung des vollen Betrags", sagte er.

Die Zahl der Verfahren im Vertragsarzt- und Vertragszahnarztrecht ging im vergangenen Jahr bei den Sozialgerichten von 1014 auf 723 zurück. In der zweiten Instanz vor dem LSG gab es einen Rückgang um 11,7 Prozent auf 113.

Die Richter führen diese Entwicklung vor allem darauf zurück, dass sich die Vertragsärzte und die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht mehr in vielen Einzelfällen vor Gericht streiten, sondern für strittige Fragen Musterverfahren initiieren. "Dann wartet man den Ausgang des Musterverfahrens ab", sagte LSG-Präsident Joachim Nieding.

Im Jahr 2013 gingen bei den Sozialgerichten 86.648 Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz neu ein. Das war ein Anstieg um 2,5 Prozent. Davon entfielen 32,5 Prozent auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende, 20,3 Prozent auf das Schwerbehindertenrecht, 15,0 Prozent auf die Renten- und 11,4 Prozent auf die Krankenversicherung.

Das Vertrags(zahn)arztrecht machte gerade einmal 0,8 Prozent aus. Beim LSG sank die Zahl der Eingänge um 3,2 Prozent auf 7029.Sorge macht Nieding der extrem hohe Bestand an Verfahren bei den Gerichten. "Die Sozialgerichte im Land würden ein Jahr brauchen, um die Bestände abzuarbeiten, wenn es keine Neuzugänge gäbe", sagte er.

Die Folge der Belastung: Die Verfahren vor den Sozialgerichten dauern im Schnitt 12,8 Monate, beim LSG sind es 13,4 Monate. Diese Werte enthalten aber auch die Verfahren, die sich auf andere Art als durch ein Urteil erledigen.

Verfahren, die mit einem Urteil abgeschlossen werden, dauern 21,8 Monate. Das sei häufig für die Rechtsschutz suchenden Bürger unzumutbar, betonte der LSG-Präsident. "In vielen Fällen geht es um existenzielle Leistungen." (iss)

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