Beeinflussen elektromagnetische Felder den Hormonhaushalt?

FRANKFURT AM MAIN (hbr). Machen elektromagnetische Strahlen krank? Der Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin (ZÄN) jedenfalls empfiehlt, besonders im Schlafbereich entsprechende Belastungen zu reduzieren: Vermeiden, Abstand halten und Abschirmen.

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So gelte es zum Beispiel Heizdecken zu vermeiden, Mobiltelefone und Lampen mit Dimmer aus der Nähe des Bettes zu entfernen. Auch das Erden elektrischer Geräte nütze, sagt Dr. Branka Tischberger-Friedrichs aus Neu-Isenburg: Die Feldstärke einer Metall-Nachttischlampe ohne Erdung beträgt in 50 Zentimeter Abstand bis zu 200 V/m - geerdet nur noch ein Hundertstel. Eine generelle Verteufelung von Strahlung liegt ihr jedoch fern: "Wir können auf Strahlen in der Medizin nicht verzichten".

Elektromagnetische Felder, erinnerte Dr. Antonius Pollmann von der ZÄN auf einer Veranstaltung in Frankfurt am Main, haben verschiedene Wirkungen: Sie können Wärme erzeugen, "das kennen wir zum Beispiel von der Mikrowelle". Außerdem polarisieren sie Moleküle und Zellmembranen.

Quellen für elektromagnetische (em) Wellen reichen von Radio- und Fernsehsendern bis zum Babyphone im Kinderzimmer. Die Feldstärke hängt ab von Senderleistung, -ausrichtung und Abstand. Man müsse sich vergegenwärtigen, so Pollmann, daß jede biochemische Reaktion von em-Feldwirkung begleitet sei - und umgekehrt.

Zu möglichen Wirkungen, die em-Feldern bei Menschen zugeschrieben werden, gehören schwer einzuordnende Symptome: Befindlichkeitsstörungen wie Nervosität, Schlafstörungen, Müdigkeit, Depressionen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Diskutiert werden Wirkungen auf Neurotransmitter, Immun- und Hormonsystem. Andererseits, so Pollmann, sei der menschliche Körper natürlicher Strahlung ausgesetzt und gewohnt, damit umzugehen, etwa mit UV-Strahlung und dem Erdmagnetfeld.

Künstliche em-Strahlung könnte aber zum Beispiel die Melatoninausschüttung der Epiphyse hemmen. Dies beeinflusse unter anderem den Schlaf-Wach-Rhythmus und alle endokrinen Drüsen. Melatonin, sagte Pollmann, hemme zudem das Wachstum von Tumorzellen.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen Melatonin und em-Feldern wird jedoch kontrovers diskutiert. Was sagen andere Wissenschaftler dazu? Professor Lutz Vollrath von der Universität Mainz forscht seit Jahren in Sachen Melatonin. Sein Urteil über das Hormon und die elektromagnetische Empfindlichkeit der Zirbeldrüse fällt eher zurückhaltend aus.

Die Funktionen des Melatonins sind "noch nicht so gut erforscht", so der Mediziner. Die Synthese folge dabei dem Tag-Nacht-Wechsel - nachts viel, tags wenig. Dieser Tagesrhythmus, das ist lange bekannt und bei Tieren nachgewiesen, wird durch einen darauf aufbauenden Jahresrhythmus ergänzt. Vollrath: "Die Zirbeldrüse mißt die Tag-Nacht-Länge. Je länger die Nacht, desto mehr Melatonin."

Bei Menschen, die offenbar ebenfalls einen Melatonin-Jahresrhythmus haben, sind zwei Wirkungen sicher: Das Hormon macht müde, und es wirkt zurück auf den Nucleus suprachiasmaticus, der die zirkadianen Rhythmen im Körper koordiniert.

Melatonin kann zudem seine Wirkung stabilisieren. So weicht die zirkadiane Rhythmik blinder Menschen von der realen Tageslänge ab und verschiebt sich täglich um eine Stunde. Regelmäßige Melatoningabe kann den Rhythmus stabilisieren.

Zum Einfluß hochfrequenter em-Felder im Mobilfunkbereich auf Melatonin sagt Vollrath: "In praktisch allen Studien wurde kein Effekt festgestellt". Die Wirkung niederfrequenter em-Felder, wie sie Haushaltsgeräte mit 50 bis 60 Hz aufweisen, beurteilt er hingegen vorsichtig. Versuche mit Menschen brachten zwar keine einheitlichen Ergebnisse, aber in der Vergangenheit zeigten viele Tierversuche Effekte: Im em-Feld veränderten sich zum Beispiel teilweise die Melatoninspiegel im Blut, allerdings nicht die in der Zirbeldrüse. Insgesamt sei daher zur Zeit nicht klar, ob die Effekte dem Magnetfeld zuzuschreiben sind.

Am 26. Februar beginnt in Freudenstadt der 106. ZÄN-Kongreß unter dem Leitthema Energie und Information. Unter anderem geht es dabei auch um em-Felder. Infos und Anmeldungen unter Tel.: 0 74 41 / 91 85 80 oder www.zaen.org

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