Ein innovativer Physiologe war einer der Urväter des Films

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Von Wolfgang U. Eckart

Am 13. Mai 1904, heute vor 100 Jahren, starb mit Etienne-Jules Marey einer der bedeutendsten französischen Physiologen des 19. Jahrhunderts im Alter von 74 Jahren. Marey hinterließ ein umfangreiches wissenschaftliches Werk, sowohl zur graphischen Aufzeichnungsmethodik in der Physiologie als auch zur Physiologie der Bewegungsabläufe.

Er kann daher als Begründer der modernen Bewegungsphysiologie gelten. Seine Methoden der cinematographischen Aufzeichnung charakterisieren ihn als den Vater dieser Darstellungsmethode in der Physiologie und als einen der Urväter des Films.

Etienne-Jules Marey wurde am 5. März 1830 in Beaune geboren. Von 1849 bis 1855 studierte er Medizin in Paris. Schon als junger Arzt bediente er sich der damals noch neuen graphischen Aufzeichnungsmethoden. Aus eigenen Mitteln errichtete er 1864 das erste private physiologische Laboratorium in Paris und widmete sich dort nun ganz der Experimentalphysiologie.

Mit mobilen graphischen Aufzeichnungsapparaturen gelang es Marey, wichtige Zusammenhänge zwischen der biologischen Bewegungsmechanik und dem Muskel- und Skelettsystem bei Mensch und Tier aufzudecken.

Weitere Studienobjekte waren Schrittlänge und Schrittfrequenz bei Zwei- und Vierfüßern unter verschiedenen Geländebedingungen. Besonders in diesem Forschungszusammenhang hat sich Marey intensiv um eine klinische Anwendung seiner neuen Beobachtungen bemüht.

In den Jahren 1874 und 1875 wurden diese Forschungsergebnisse in zwei Arbeiten publiziert. Die Beschäftigung mit dem interessanten Gebiet der Bewegungsabläufe führte zwangsläufig auf das Gebiet der fotographischen Registrierung.

Marey bemerkte, daß durch Fotographien in schneller zeitlicher Abfolge Bewegungsabläufe differenzierter dargestellt werden konnten. Intensiv bemühte er sich um eine Verbesserung dieser Methode. Und er konstruierte schließlich ein "fotographisches Gewehr", mit dem in sehr hoher Frequenz Aufnahmen ablaufender Bewegungsvorgänge geschossen werden konnten.

Das Mareysche fotographische Gewehr, im Grunde eine frühe Filmkamera mit langsamer Bildfolge, war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Entwicklung cinematographischer Aufzeichnungsmethoden in der Physiologie.

In seinen fotographischen Studien bediente sich Marey sowohl der Möglichkeit, unterschiedliche Bildsequenzen auf einer Platte aufzuzeichnen, als auch der Methode, Einzelbilder in schneller Abfolge hintereinander sichtbar zu machen. Besonders bei schnellen Bewegungsabläufen wie beim Vogelflug war es nötig, die Gesamtbewegung mit einer möglichst hohen Belichtungsfrequenz auf einer Bildplatte festzuhaIten. Bei langsameren Bewegungsabläufen wie dem menschlichen Gang, dem Tanz oder dem Sprung wurden Einzelaufnahmen bevorzugt.

Im Jahre 1881 gelang es Marey, den Stadtrat von Paris zu bewegen, ihm einen Landsitz im Parc-des-Princes zu gewähren, wo er seine physiologische Station zum Studium tierischer Bewegungen in freier Natur unter möglichst natürlichen Bedingungen errichtet. Hier wurden mit einer beweglichen Kamera auf Schienen Bewegungsabläufe bei Pferden, bei Windhunden, aber auch bei EIefanten studiert.

Mareys generelles Forschungsziel richtete sich aber weniger auf die Einzelstudien tierischer Bewegungsabläufe, sondern vielmehr auf die Ermittlung und Analyse der Bedingungen, die die Funktionen des menschlichen Lebens und hier besonders auf Zusammenhänge zwischen den Bewegungsgesetzen und den äußeren Beeinflussungsfaktoren der Bewegung insgesamt.

Insgesamt war Marey nicht nur ein innovativer Physiologe, sondern auch der vielleicht bedeutendste Grundlagenforscher der sich wenig später in seinem Heimatland entwickelnden Filmtechnik.

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