Von der Viruswaage bis zum Computer

BERLIN (gvg). Die Zahl von Forschungs- und Entwicklungsprojekten in der Nanotechnik ist mittlerweile Legion. Es wird erwartet, daß Nanoteilchen in vielen Bereichen der Medizin zu neuen Strategien führen werden. Deutschland ist im Moment ganz vorn mit dabei. Bei der Zahl der Patentanmeldungen werde das Land nur von den USA übertroffen, so Dagmar Oertel vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag.

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Für sich genommen sehen die Sensoren aus wie winzige Fliegenklatschen oder wie Paddel, die mit ihrem Griff in einen Kristall gesteckt wurden. Sie bestehen aus Silikon und sind 150 Nanometer dünn. Wie Gitarrensaiten können sie zum Schwingen angeregt werden. Ihre Resonanzfrequenz: zwischen fünf und zehn Megahertz.

Das Virus, das Rob Ilic und seine Kollegen von der Cornell University in New York in ihren Experimenten benutzt haben, um zu zeigen, daß ihre Minipaddel als Krankheitssensoren empfindlich genug sind, sogar einen einzelnen Krankheitserreger nachzuweisen, ist das Insektenvirus Autographa californica. Es wiegt 1,5 Femtogramm.

Das sind anderthalb Billiardstel eines Gramms. Um das Virus nachzuweisen, haben die Forscher ihr Paddel mit virusspezifischen Antikörpern beschichtet. Ein einziges Virus genügt, um das Paddel soviel schwerer zu machen, daß sich seine Resonanzfrequenz ändert, und das läßt sich messen.

Forscher um Bill Klein von der Northwestern Uni in Kalifornien nutzen ein ähnliches Prinzip, um in der Zerebrospinalflüssigkeit Beta-Amyloid-Liganden nachzuweisen, die an der Alzheimer-Pathogenese beteiligt sind. Sie verwenden oszillierende Gold- und Silberpartikel, die ihre Spezifität ebenfalls mit Hilfe von Antikörpern erhalten. Klein: "Unser Verfahren ist mindestens zwei Größenordnungen sensitiver als die empfindlichsten bisherigen Bioassays".

Für die Herstellung solch winziger Sensoren bedienen sich die Nanotechniker häufig des Phänomens der Selbstorganisation, durch die die Welt des Allerkleinsten sich von unserer gewohnten Umwelt unterscheidet. Was dem Eigenheimbauer nie passiert, kommt in einer Umwelt, in der die miteinander interagierenden Strukturen nur wenige tausendstel Mikrometer groß sind, schon mal vor: Bei entsprechenden Ausgangsbedingungen entsteht das Endprodukt praktisch von selbst.

Mediziner interessieren sich für wenige Nanometer große Teilchen auch als Ausgangsmaterialien für therapeutische Produkte, etwa in der Zahnmedizin. So stellt die Darmstädter Firma Sus-Tech Nanopartikel aus Kalziumapatit her, die mit Eiweißstoffen zu dem dentinähnlichen Produkt Nanit®active vermengt werden. Es wird auf empfindliche Zahnhälse aufgetragen und verstopft die feinen Dentinkanäle, die Ursache dafür sind, daß freiliegende Zahnhälse so empfindlich sind.

Andere, ebenfalls an Zähnen interessierte Forscher-Gruppen versuchen, die bekannten Kompositfüllungen mit Nanofasern härter und kosmetisch ansprechender zu machen. Nanofasern können elektrisch "gesponnen" werden und sind ungefähr 4000 Mal dünner als ein Haar.

Lesen Sie dazu auch: Gesundheits-Risiko Nanoteilchen? Nanomediziner nehmen Tumoren ins Visier Der weltweit kleinste Computer

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