INTERVIEW
Der weltweit kleinste Computer
Nanomaschinen, die autonom im Körper arbeiten - dieses Szenario liegt vielen Nanomedizinern besonders am Herzen. Professor Ehud Shapiro vom Weizmann-Institut in Jerusalem hat autonome, molekulare Computer aus Nukleinsäuren hergestellt, die einmal Krebs im Frühstadium erkennen und eine Therapie möglich machen sollen. Shapiro, einer der Ikonen der Nanomedizin, erläuterte Philipp Grätzel von Grätz, Mitarbeiter der "Ärzte Zeitung", wie das gehen soll.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Sie stehen im Guinness-Buch als Vater des kleinsten Computers der Welt. Mehrere Billionen davon passen in einen Wassertropfen. Können Sie erklären, warum das die Krebstherapie voranbringen soll?
Shapiro: Unser molekularer Computer erkennt im Reagenzglas die Aktivität bestimmter Gene anhand von RNA-Abschriften und kann darauf reagieren, indem er die Freisetzung eines Chemotherapeutikums veranlaßt. Wir haben das am Beispiel eines simulierten Prostatakarzinoms gezeigt: Der Computer erkennt, wenn zwei prostatakrebstypische Gene überaktiv und zwei andere herunterreguliert sind.
Liegt dies vor, dann wird ein Antisense-Molekül aus DNA-Nukleotiden freigesetzt, das die Aktivität krebsspezifischer Gene unterdrückt. Wir benutzen dazu Moleküle, die denen entsprechen, die Krebsforscher im Moment in klinischen Studien erproben. Prinzipiell könnten aber auch therapeutische Eiweiße oder andere organische Moleküle hergestellt werden.
Ärzte Zeitung: Wie würden solche Computer in die Zellen gelangen?
Shapiro: Die nötigen Nukleinsäuren müßten transfiziert werden oder der molekulare Computer müßte direkt vor Ort im Zellplasma gentechnisch hergestellt werden.
Ärzte Zeitung: Der Computer wäre hier Diagnosemittel und Therapieprinzip. Ist die Krebsdiagnose, die das System stellt, spezifisch genug, um eine automatische Behandlung vor Ort zu rechtfertigen?
Shapiro: Das muß natürlich genau evaluiert werden. Wir wissen von der Arbeit mit Biochips, daß eine präzise Krebsdiagnostik möglich ist, wenn einige Dutzend Gene gleichzeitig analysiert werden. Wir schätzen, daß mit dem molekularen Computer, mit dem wir im Moment arbeiten, bis zu 15 Marker parallel verarbeitet werden können. Das könnte genug sein für eine recht präzise Diagnose.
Lesen Sie dazu auch: Von der Viruswaage bis zum Computer Gesundheits-Risiko Nanoteilchen? Nanomediziner nehmen Tumoren ins Visier