Publikumsmagnet in New York: die große Darwin-Ausstellung

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Von Ronald D. Gerste

Darwin - in den USA steht der Name des großen Biologen für eine heftige gesellschaftspolitische Debatte, denn christliche Fundamentalisten versuchen, die Evolutionslehre zu diskreditieren und im Wissenschaftsunterricht der Schulen das Konzept des "Intelligent Design" einzuführen (wir berichteten).

Langsam und durch die Hintertür soll Wissen durch den Glauben ersetzt und die junge Generation den Einflüssen der Evangelikalen und ihrer politischen Verbündeten zugänglich gemacht werden.

In New York zeigt eine höchst sehenswerte Ausstellung Dokumente zu Leben und Werk des Charles Darwin und macht deutlich, daß auch unser Verständnis von der Ausbreitung von Krankheiten und den Abwehrmechanismen des Körpers durch seine Evolutionslehre mitgeprägt wird.

Lange Schlangen trotz hoher Eintrittspreise

Fast täglich und fast zu jeder Uhrzeit bilden sich lange Schlangen vor dem American Museum of Natural History (AMNH), seit "Darwin" dort läuft. Weder die Wartezeit noch die nicht gerade niedrigen Eintrittspreise - 21 Dollar (etwa 18 Euro) für Erwachsene, 12 Dollar (10 Euro) für Kinder - schrecken die Menschen ab. Sie kommen aus allen Teilen der USA in das wohl renommierteste Naturkundemuseum ihres Landes.

Charles Darwins Lehre wird in den USA momentan viel diskutiert. In Schulen und Hochschulen sowie in der öffentlichen Debatte sehen sich Verfechter eines wissenschaftlich fundierten, empirisch belegten Konzeptes des Lebens den Angriffen der religiösen Rechten ausgesetzt, für die Darwin der Leibhaftige zu sein scheint, dessen Lehre es aus den Köpfen der künftigen Generationen zu bannen gilt.

Die Ausstellung macht deutlich, daß an Darwin, dem Menschen und seinem Werk, nichts Teuflisches ist. Sie porträtiert einen jungen Mann auf der Suche nach Antworten. Antworten auf die Frage nach dem Ursprung und der Entwicklung des Lebens, die von der überkommenen Wissenschaft im frühen 19. Jahrhundert nicht gegeben werden konnten - weitgehend ratlos standen die Zeitgenossen vor den ersten Skeletten von Dinosauriern und Mammuts.

Didaktisch geschickt positioniert, wirken bereits die ersten Objekte des Rundganges als Sympathieträger: Es sind Exemplare jener großen, von Darwin auf den Galápagosinseln entdeckten Landschildkröten.

Sie sind ebenso lebendig wie die in Schaukästen herumtollenden oder auch dösenden Leguane, Frösche und andere Tiere, deren Artenvielfalt Darwin nachdenklich stimmte und ihn schließlich zu jenen Forschungen anregte, die in seinem Klassiker, "The Origin of Species", mündete. So ist seine Reise auf dem Segelschiff "Beagle" der zentrale Sektor der Ausstellung.

Fünf Jahre war Darwin mit dem Schiff unterwegs, von 1831 bis 1836. Als erster akademisch gebildeter Mensch betrat er Teile der Erde, die bis dahin nur Walfängern und Freibeutern ein Begriff waren. Zu den ausgestellten Originalien gehören zwei Gegenstände, ohne die Darwin am - nach damaligem Verständnis - Ende der Welt nicht auskommen mochte: seine Pistole und seine Bibel.

Darwin - das ist weithin wenig bekannt - hatte Medizin in Edinburgh studiert, zu jener Zeit eine der am meisten angesehenen medizinischen Fakultäten in Europa. Die damals noch ohne Narkose vorgenommenen Operationen indes entsetzten ihn sehr: "Ich lief davon, ehe sie zu Ende gebracht wurden."

Das Medizinstudium brach er ab und studierte statt dessen Theologie in Cambridge, wo sein Interesse an den Wundern der Natur erwachte. Doch die kurze Zeit in der Heilkunde prägte ihn durchaus.

"Darwin war ein wahrer Gigant in der Geschichte der Wissenschaft", sagt Michael J. Novacek, der Kurator für Paläontologie am AMNH, "seine Evolutionstheorie durch natürliche Selektion hilft uns die Wege zu verstehen, um Krankheiten zu bekämpfen, mit der Umwelt umzugehen, besser und gesünder zu leben. Ohne seine Einsichten würden wir beispielsweise das gefährliche Potential in der rapiden Evolution des Geflügelpest-Erregers nicht erkennen können."

Virtueller Gang durch Darwins Garten

Zu den Höhepunkten gehört ein mit moderner Videotechnik möglich gewordener virtueller Gang über einen baumgesäumten Pfad bei Darwins Landsitz Down House, den der Forscher tief in Gedanken versunken auf und ab zu flanieren pflegte. Man wird auf den Weg geleitet, seinen Gedankengängen zu folgen und kann nicht umhin, jene prächtige Vielfalt des Lebens zu bewundern, die dank der Evolution der Arten möglich ist.

Als ihr Symbol werden Orchideen, unterschiedlich bunt, unterschiedlich geformt, doch durchweg atemberaubend schön, dargeboten. Man verläßt die Ausstellung tief beeindruckt, mit Demut vor dem Leben und in Sorge um die Erhaltung seines Artenreichtums.

Wer bis zum 29. Mai nicht nach New York kommt, hat vielleicht Gelegenheit, die Darwin-Schau an den anderen geplanten Orten zu sehen, zu denen die Ausstellung wandert: Boston (2. Dezember 2006 bis 22. April 2007), Chicago (15. Juni 2007 bis 1. Januar 2008), Toronto (8. März 2008 bis 5. August 2008) und schließlich London. In der britischen Hauptstadt wird "Darwin" ab Oktober 2008 zu sehen sein, auch an seinem 200. Geburtstag, am 12. Februar 2009.

Die Ausstellung "Darwin" ist bis zum 29. Mai im American Museum of Natural History in New York zu sehen. Geöffnet ist täglich von 10 bis 17.45 Uhr. Weihnachten ist das Museum geschlossen. Eintrittskarten sollte man sich vorher reservieren, telefonisch unter (001) 212 / 769 / 52 00 oder auf der Website des Museums www.amnh.org

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