"Wir haben hier viel Dankbarkeit erfahren"

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In wenigen Tagen jährt sich die verheerende Tsunami-Katastrophe in Südostasien. Für den Leipziger Rüdiger Lessig bedeutet dies zugleich das Ende seines bislang härtesten Einsatzes: Unmittelbar nach dem Unglück am 26. Dezember 2004 flog der Rechtsmediziner für das Bundeskriminalamt (BKA) auf die thailändische Urlauberinsel Phuket.

Am 31. Dezember richtete er für die Identifizierungskommission des BKA einen Arbeitsplatz mit ein. Jetzt hat er ihn endlich geschlossen. Die verbleibenden Arbeiten werden künftig von Thailands Hauptstadt Bangkok aus bewältigt. "Wir haben hier viel Dankbarkeit erfahren für unsere Arbeit", so Lessig.

Vier Mal ist der 47jährige Familienvater für jeweils mehrere Wochen in das Katastrophengebiet gereist, um den anonymen Opfern einen Namen zu geben. In wechselnder Besetzung haben Lessig und seine internationalen Kollegen tausende Opfer der Flutwelle identifiziert.

Für ihr Engagement sind die deutschen Experten mit dem Medienpreis "Bambi" ausgezeichnet worden. "Das hat uns überrascht. Aber es war eine schöne Würdigung für unsere Arbeit", sagt Lessig.

"Als wir den Arbeitsplatz hier eröffnet haben, hätten wir nicht gedacht, daß wir nach fast einem Jahr immer noch hier arbeiten würden", so Lessig. Der stellvertretende Leiter des Leipziger Instituts für Rechtsmedizin ist zugleich Zahnarzt.

Diese in Deutschland einzigartige Kombination sowie seine Spezialisierung auf DNA-Spuren macht ihn für das BKA unverzichtbar. Die Zähne sind für die Identifizierung mit am wichtigsten. "Das Gebiß ist im Mundraum meist gut geschützt", sagt Lessig.

"In fast einem Jahr konnte eine zunächst nicht zu erwartende große Zahl der Opfer identifiziert werden", berichtet der Arzt. Nach Angaben der zuständigen Stelle in Thailand, dem TTVI IMC (Thai Tsunami Victim Identification Information Management Center), wurden bis Ende November mehr als 2760 Opfer identifiziert. In mehr als 1800 Fällen stammten die Opfer nicht aus Thailand. Etwa 940 geborgene Leichen sind noch nicht identifiziert.

Bis Mai konzentrierte sich die Arbeit auf die Untersuchungen der Opfer und die Erfassung entsprechender Daten. Danach bestand die Arbeit hauptsächlich darin, identifizierte Opfer einer abschließenden Überprüfung zu unterziehen. "So soll sichergestellt werden, daß das richtige Opfer an den Bestatter oder die Angehörigen übergeben wird", schildert Lessig.

"Während der ersten Zeit wurden sehr viele ausländische Opfer identifiziert, jetzt konzentriert sich die Arbeit vor allem auf die inländischen Vermißten." Hintergrund sei, daß die Vergleichsdaten der Ausländer durch die zuständigen Polizeibehörden in den verschiedenen Ländern relativ zügig dem TTVI IMC übermittelt wurden.

Für Lessig geht eine extrem belastende Zeit zu Ende. 14 bis 16 Stunden haben die Experten anfangs täglich Leichen untersucht. "Ich weiß nicht, wie viele es waren - ich habe irgendwann aufgehört zu zählen", so Lessig nach dem ersten Einsatz.

"Aber der gute Zusammenhalt des deutschen Teams und die hervorragende Zusammenarbeit mit den Kollegen verschiedener Länder haben geholfen, das Leid zu ertragen." Zudem habe das BKA eine psychologische und seelsorgerische Betreuung angeboten.

Rechtzeitig zu Weihnachten ist Lessig wieder bei seiner Frau und den Kindern. Trotz des erlebten Elends mit einem positiven Gefühl: "Für das deutsche Team schließt sich der Kreis: Wir haben den Arbeitsplatz eröffnet und wir schließen ihn. Und in den Monaten dazwischen haben wir helfen können." (dpa)

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