Firmen stellen sich auf Best Ager ein

BERLIN (dpa). Handys mit Notruftaste, Computer mit großer Tastatur und Lupen am Supermarktregal - angesichts des demographischen Wandels stellen sich Industrie und Handel immer mehr auf die kaufkräftige Generation der "Neuen Alten" ein.

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Auch Computer- und Handyhersteller haben die "Best Ager" als Zielgruppe entdeckt. "Zu den größten Wachstumsfeldern zählt dabei die Telemedizin", sagt Willi Berchthold, Präsident des Branchenverbands BITKOM.

Über Handys mit einer speziellen Notruftaste können ältere Menschen direkten Kontakt zur Rettungsstelle aufnehmen. Ein integrierter GPS-Empfänger nennt die genaue Position des Hilfesuchenden. Mit dem Telefon können außerdem jederzeit medizinische Daten wie ein automatisch aufgezeichnetes EKG an einen Arzt übermittelt werden.

Handelsketten entwerfen innovative Supermarktkonzepte, Auto- und Computerhersteller entwickeln seniorengerechte Modelle, und auch Versicherungen und Banken stimmen ihre Produkte zunehmend auf die "Happy Enders" ab.

Konsumenten über 60 Jahre legen viel Wert auf Qualität

Diese werden immer zahlreicher und waren noch nie so kaufkräftig und agil. Die Kaufkraft der Generation 50 plus liegt derzeit bei durchschnittlich etwa 21 000 Euro pro Kopf und Jahr, gut 2000 Euro mehr als bei den bis zu 49jährigen. Schon heute ist beinahe jeder vierte Bundesbürger mehr als 60 Jahre alt. 2030 wird der Anteil der über 60jährigen an der Gesamtbevölkerung fast ein Drittel betragen.

"Die marktbestimmenden Konzerne sind bei dem Thema schon aktiv", betont Gundolf Meyer Hentschel vom gleichnamigen Institut in Saarbrücken, das sich seit Jahren mit dem Verhalten älterer Konsumenten beschäftigt. Der Handel stellt sich zunehmend auf das kaufkräftige Publikum ein, beobachtet auch das Eurohandelsinstitut in Köln. Die "Best Ager" seien besonders gut mit Qualität anzusprechen. Das biete der von hartem Preiswettbewerb gebeutelten Branche ganz neue Chancen.

Die Hersteller seien schon auf einem guten Weg. Dagegen zeigten sich viele Händler aber noch zurückhaltend, räumt der Branchenverband HDE ein. Handlungsbedarf gebe es vor allem bei der Ladengestaltung und bei der Qualifizierung des Personals.

Mit einem "Supermarkt der Generationen" stellt sich die Edeka-Gruppe auf die neue Zielgruppe ein. Die erste seniorengerechte Filiale eröffnete vor gut zwei Jahren in Chemnitz. Mittlerweile gibt es bereits zehn solcher Läden in Bayern, Sachsen und Thüringen. Die Märkte haben sehr breite Gänge, rutschfeste Böden und Lupen an den Regalen sowie überall Knöpfe, mit denen Personal zur Hilfe gerufen werden kann.

Auch der Handelsriese Metro testet auf die ältere Generation abgestimmte Konzepte bei Kaufhof und in seinem "Future store" in Rheinberg bei Duisburg. Außerdem setzt der Konzern "Age Explorer" ein, mit denen man sich in die Wahrnehmungswelt älterer Menschen hineinversetzt. Problem sei aber, daß ältere Verbraucher nicht gern auf ihr Alter angesprochen werden wollen, sagt ein Sprecher.

Kaufhaus bietet Sortiment extra für die Senioren

Das erste deutsche Seniorenkaufhaus gibt es in Großräschen in der Lausitz. In den Räumen eines früheren Baumarkts wird seit März vergangenen Jahres nicht nur ein spezielles Sortiment angeboten - von Mode bis hin zu Spezialschuhen oder Inkontinenz-Artikeln.

Auch breitere Gänge und Umkleidekabinen sowie viele Sitzmöglichkeiten zum Ausruhen sollen der älteren Generation das Einkaufen erleichtern. "Bei uns sollen sich Rentner gut aufgehoben fühlen", sagt Firmenchefin Angelika Deliga. Die Kunden kommen mit Reisebussen aus ganz Deutschland. Auf Franchise-Basis sollen weitere Filialen entstehen.

Versicherer spezialisiert sich auf Produkte für Ruheständler

Ausschließlich auf ältere Kunden hat sich die Berliner Ideal-Versicherung spezialisiert. Seit 2001 werden nur noch Seniorenprodukte angeboten von der Pflegeversicherung mit Pflegeplatzgarantie bis zum Sterbegeld. Jährlich werden etwa 80 000 Neuverträge abgeschlossen. In den vergangenen Jahren wurde bei den Beitragseinnahmen ein Plus bis zu 40 Prozent verzeichnet. "Unsere Zielgruppe ist auf mittlerweile mehr als 30 Millionen Menschen gewachsen", betont Sprecher Gerald Herde. Die Ideal sei daher schon längst kein Nischenanbieter mehr.



STICHWORT

Telemedizin

Bei der Telemedizin wird die räumliche und zeitliche Distanz zwischen Ärzten und Patienten durch die Telekommunikation überbrückt. Dabei werden Patienten zum Beispiel mit Geräten zur Messung von Vitaldaten ausgestattet. Diese Daten werden direkt an ihren medizinischen Betreuer - in der Regel an ihren Hausarzt - gesendet. Rückmeldungen des Hausarztes können auf ein spezielles Mobiltelefon übertragen werden.

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