Ein Arzt, der NS-Gräuel dokumentierte

FRANKFURT/MAIN (Smi). Er hat nicht nur die Verbrechen der NS-Ärzte öffentlich gemacht, sondern auch den gesellschaftspolitischen Diskurs der 60er und 70er Jahre wie kaum ein anderer geprägt: Heute vor 25 Jahren starb der Arzt, Psychoanalytiker und Gründungsdirektor des renommierten Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts Professor Alexander Mitscherlich.

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Mitscherlich wurde am 20. September 1908 in München geboren. Zunächst studierte er Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte, brach dieses Studium jedoch ab, als 1932 nach dem Tod seines Doktorvaters Paul Joachimsen dessen antisemitischer Nachfolger sich weigerte, die Arbeiten seines jüdischen Vorgängers weiter zu betreuen.

In Berlin eröffnete Mitscherlich daraufhin eine Buchhandlung, die 1935 von den Nazis geschlossen wurde. Im selben Jahr emigrierte er in die Schweiz. In Zürich setzte er ein kurz zuvor begonnenes Medizinstudium fort. Bei einer Fahrt durch Deutschland wurde er aber 1937 von der Gestapo verhaftet und bekam wegen Mitarbeit im Widerstand acht Monate Haft. Danach schloss er sein Studium in Heidelberg ab, wo er später als Neurologe arbeitete und sich 1946 habilitierte.

In der Nachkriegszeit erlebte Mitscherlich als Beobachter und Sachverständiger die Nürnberger Ärzteprozesse. Gemeinsam mit Fred Mielke veröffentlichte er die Dokumentation "Wissenschaft (später Medizin) ohne Menschlichkeit", woraufhin er von Kollegen als "Nestbeschmutzer" diffamiert wurde.

Unterstützt von Max Horkheimer gründete Alexander Mitscherlich 1959 das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt am Main, das er bis 1976 leitete. An dem bis heute existierenden Institut entwickelte er einen bis dahin einzigartigen Forschungsansatz, der die Psychoanalyse mit sozialpsychologischen Fragestellungen verband. Die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit gehörte ebenso zu seinen Schwerpunkten wie der Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte.

Gemeinsam mit seiner dritten Frau Margarete Mitscherlich, die noch heute knapp 90-jährig als Psychoanalytikerin praktiziert, verfasste er 1967 die wegweisende Schrift "Die Unfähigkeit zu trauern" über die Grundlagen kollektiven Verhaltens. An der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt wurde er im selben Jahr zum Professor für Psychologie berufen. Zwei Jahre später erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den er an die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stiftete.

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