Weil Mutter Krebs hat, wächst die Angst

FREIBURG. Theas Mutter hat Krebs. Seit zwei Monaten weiß die achtjährige Schülerin von der Krankheit ihrer Mutter. Brigitte (43) macht zur Zeit eine ambulante Chemotherapie. Thea lebt in großer Angst, ihre Mutter zu verlieren.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Malen kann helfen, Ängste aufzuarbeiten.

Malen kann helfen, Ängste aufzuarbeiten.

© Foto: Universitätsklinikum Freiburg

Niedergelassene Hausärzte wissen, wie sehr Kinder die Last mittragen, wenn Eltern von der Diagnose Krebs betroffen sind. Angst, Zorn, Schuld, Trauer, Scham und der Druck, zu früh Verantwortung zu übernehmen, sind einige der Gefühle, mit denen Kinder in solch einer Situation zu kämpfen haben, bestätigt auch Elke Reinerts, Leiterin des Psychologischen Dienstes am Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer - CCCF des Universitätsklinikums Freiburg.

"Kinder reagieren völlig unterschiedlich. Manche leiden ganz still, andere werden aggressiv. Bei einigen meldet sich der Körper und signalisiert, wie es um die Seele steht", informiert Anna Hupe, Diplom-Heilpädagogin und Kunsttherapeutin. Anna Hupe leitet am Tumorzentrum das Projekt "Löwenherz".

Im zweiten Stock der Robert Koch Klinik können Kinder hier ihren inneren Nöten und Sorgen Ausdruck verleihen, sich ihrer Stärken bewusst werden und Wege des Umgangs mit der neuen Lebenssituation finden. Löwenherz wird ausschließlich über Spenden finanziert. Das Angebot für betroffene Familien ist kostenlos.

Seit Februar 2007 existiert die Einrichtung. Sie wurde bereits Anfang November mit dem Forschungs- und Entwicklungspreis des Krebsverbandes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Im letzten Jahr hat Therapeutin Hupe bereits 40 Kinder aus 37 Familien betreut. "Dass ein Bedarf vorhanden ist, wussten wir. Dass er aber so groß ist, nicht", berichtet sie.

Etwa 40 000 Kinder unter 18 Jahren erleben in Deutschland pro Jahr, dass ihre Mutter oder ihr Vater eine Krebsdiagnose bekommen. "Wahrscheinlich verlieren mehr als 80 000 Kinder jedes Jahr einen Elternteil", schätzen Professor Eberhard Klaschik von der Universität Bonn und Dr. Stein Husebo von der Universität Wien.

Hilfe tut hier Not. In Einzel- und Gruppengesprächen aber auch beim Malen, Basteln und Spielen, werden die Kinder beim "Pilot Löwenherz" betreut. "Manche Kinder wollen sprechen: über Mama oder Papa, über ihr Leben und ihre Ängste. Andere suchen einfach nur die Ablenkung im Spiel und wollen zummindest für eine zeitlang ihr Leid vergessen", berichtet Hupe.

Als Ausdrucksmittel werden den Kindern und Jugendlichen dabei vor allem künstlerische Materialien zur Verfügung gestellt wie Speckstein, Holz, verschiedene Farben und Ton.

Die jeweilige Form der Begleitung wird mit den Eltern besprochen. Besonders beliebt: ein Schatzkistchen. Darin kann das Kind Fotos oder andere Erinnerungen an den kranken Vater oder die kranke Mutter sammeln.

Zwischen zwei und 22 Jahre alt sind die Kinder und Jugendlichen, die zu Löwenherz kommen. Meist seien es die Ärzte der kranken Eltern, das Pflegepersonal oder Freunde der Familie, die den Kontakt zu der Einrichtung herstellen würden, informiert Reinerts.

Es sei grundsätzlich schwieriger, Jugendliche in den Kreis zu ziehen. "In der Pubertät wird die Hilfe der Psychotante oft abgelehnt", weiß Hupe. Um diese Gruppe dennoch zu erreichen, werden derzeit altersgerechte Angebote wie zum Beispiel Kanutouren oder ein Besuch im Kletterpark angestrebt.

"Die Kinder zu stärken und damit die Last ein wenig aus der familiären Situation zu nehmen - das ist unsere Aufgabe", sagt Anna Hupe.

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