"Kämpfer oder Bauernkind - es zählt der Mensch"

Afghanistan - ein Land, das nicht zur Ruhe kommt. In der Provinz Wardak hat vor 20 Jahren eine deutsche Op-Schwester ein Hospital gegründet, in dem jeder Bedürftige unabhängig von seiner Religion Hilfe findet.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Baby im Arm: Karla Schefter, ehemalige Op-Schwester, hat mit Einheimischen ein Hospital in Afghanistan gegründet, das sie noch heute leitet.

Baby im Arm: Karla Schefter, ehemalige Op-Schwester, hat mit Einheimischen ein Hospital in Afghanistan gegründet, das sie noch heute leitet.

© Foto: Schefter

FRANKFURT/MAIN.Unermüdlich kämpft sie für eine gute Sache: Karla Schefter hat in Afghanistan einen kleinen Hort der Eintracht gegründet, der Zeichen setzt.

Die 1942 in Allenstein, Ostpreußen, geborene Karla Schefter hat von 1966 bis 1989 als Leitende Op-Schwester in den Städtischen Kliniken Dortmund für allgemeine Chirurgie und später auch Herzchirurgie gearbeitet. Im Jahr der Wende ging sie nach Afghanistan, um in Chak, einem Ort etwa 65 Kilometer von Kabul entfernt, gemeinsam mit einheimischen Helfern ein Krankenhaus aufzubauen. Ein an sich unmögliches Unterfangen in einem von Krieg und Terror, Gewalt und Willkür, Leid und Armut zerrütteten Land. Doch Karla Schefter und ihr Team ließen sich nicht einschüchtern.

Allen Widerständen zum Trotz trieben sie ihr Vorhaben voran und verwirklichten schließlich jenen Traum, den viele Menschen der Region schon lange geträumt hatten. 1992 übernahm Karla Schefter die Leitung des Hospitals, das sich überwiegend durch Spenden finanziert. Ihr Motto: "Es zählt der Mensch, egal ob Kämpfer oder Bauernkind." Jeden Winter kommt sie nach Deutschland zurück, um Spenden zu sammeln. Für ihr Engagement erhielt die Op-Schwester 1993 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 2004 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. 2006 wurde sie in Kabul mit dem Malalai-Orden geehrt, der höchsten Auszeichnung für Frauen in Afghanistan.

Das 60 Betten zählende Hospital Chak-e-Wardak ist heute der einzige funktionierende medizinische Zufluchtsort in einer riesigen Region mit etwa 500 000 Einwohnern. Mehr als 75 000 Patienten, davon zu 70 Prozent Frauen und Kinder, werden hier Jahr für Jahr behandelt. Zusätzlich werden etwa 80 000 Impfungen pro Jahr verabreicht. Das Einzugsgebiet reicht bis nach Kabul und über die Nachbarprovinzen hinaus.

Alle Patienten werden in allgemeinen Gesundheitsfragen unterwiesen. Mütter erhalten eine spezielle Mutter-Kind-Gesundheitsberatung. Ambulante Patienten müssen eine geringe Summe für die Konsultationen bezahlen. Medikamente erhalten sie für die Hälfte des üblich zu zahlenden Preises.

Die stationären Patienten werden völlig kostenfrei behandelt. Ihre Begleitpersonen - der afghanischen Sitte folgend lässt man einen Patienten niemals allein im Krankenhaus - werden mit aufgenommen. Auch sie erhalten freie Kost und Logis, müssen jene aber durch die Übernahme der Grundpflege ihrer kranken Angehörigen erarbeiten. Sie waschen die Patienten, versorgen ihre Wäsche, holen ihnen das Essen, füttern sie bei Bedarf, manchmal putzen sie auch und hacken Holz. Von besonderer Bedeutung ist die nächtliche Wache. Es gibt nachts keinen Strom, also auch keine Patientenklingel, um nach Hilfe zu rufen.

Häufig werden Patienten nach Unfällen, Verbrennungen oder wegen Kriegs- und Minenverletzungen behandelt. Auch Tuberkulose, Typhus, Malaria und Atemwegserkrankungen kommen oft vor. Viele Menschen sind unterernährt und leiden an Durchfall- und Wurmerkrankungen. Fast allen kann geholfen werden, da das Chak-e-Wardak-Hospital über eine voll funktionsfähige Op-Abteilung, Röntgengeräte, EKG, ein hochmodernes Ultraschallgerät, ein gut ausgestattetes Labor, eine Apotheke, eine Abteilung für Physiotherapie sowie ein regionales Impfzentrum verfügt. Trotz der angespannten Sicherheitslage will Karla Schefter in Afghanistan bleiben. Warum ihr Hospital seit 20 Jahren so erfolgreich arbeitet, dafür hat die Deutsche eine simple Erklärung: "Hilfe darf man nicht von oben einem bestehenden System überstülpen und es damit überfordern, sondern man muss Veränderungen mit aller Toleranz - und oft auch Akzeptanz bestehender Strukturen - ganz behutsam von unten nach oben wachsen lassen."

Weitere Infos im Internet:

www.chak-hospital.org

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