Ein Vater kämpft ums Leben seiner Kinder

Die Kinder erkranken an Morbus Pompe, der Vater setzt alles daran, die Erforschung dieser seltenen Krankheit zu finanzieren. "Ausnahmesituation", ein Film, der aktuell in den Kinos läuft, basiert auf einer wahren Geschichte.

Von Pete Smith Veröffentlicht:

Wenn ein Kind erkrankt, erlebt die Familie eine Ausnahmesituation. Wenn zwei Kinder einer Familie an einer unheilbaren Krankheit leiden, wird die Ausnahmesituation zur Regel. Vom Kampf einer Familie gegen alle Regeln erzählt der Film "Ausnahmesituation", der aktuell in den deutschen Kinos läuft und in einer beeindruckenden Preview Patienten und Mitarbeitern eines Biotechnologie-Unternehmens gezeigt wurde.

John Crowley (Brendan Fraser, r.), Vater zweier an Morbus Pompe erkrankter Kinder, und Dr. Robert Stonehill (Harrison Ford) gründen ein Biotech-Unternehmen, um die Krankheit zu erforschen. © Concorde

John Crowley (Brendan Fraser, r.), Vater zweier an Morbus Pompe erkrankter Kinder, und Dr. Robert Stonehill (Harrison Ford) gründen ein Biotech-Unternehmen, um die Krankheit zu erforschen. © Concorde

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"Ausnahmesituation" erzählt die Geschichte der Familie Crowley, deren Kinder Megan und Patrick an der sehr seltenen Erbkrankheit Morbus Pompe leiden. Als die Ärzte seinen Kindern nur noch ein Jahr oder weniger geben, nimmt Vater John (Brendan Fraser) den Kampf auf. Er gibt seinen hoch dotierten Job bei einem Pharmaunternehmen auf und tut sich mit dem kauzigen Wissenschaftler Dr. Robert Stonehill (Harrison Ford) zusammen, der eine Enzymersatztherapie für Pompe-Patienten erforscht. Sie gründen das Unternehmen "Priozyme" und arbeiten rund um die Uhr, um für die Kinder der Familie noch rechtzeitig ein Medikament zu entwickeln.

Den kranken Kindern läuft die Zeit weg

Als ihnen das Geld ausgeht, verkaufen sie ihre Firma an das Biotechnologieunternehmen "Zymagen", das ebenfalls auf dem Gebiet der Pompe-Erkrankung forscht. Crowley und Stonehill werden von Zymagen in die Forschung integriert. Bald kommt es zu Konflikten, da das Unternehmen streng marktwirtschaftlich orientiert ist und der einzelne Patient dagegen zurücksteht. Crowley will sich nicht damit abfinden, seinen Kindern läuft die Zeit weg. Mit Stonehills Hilfe gelingt es ihm, Megan und Patrick in eine Geschwisterstudie einzubinden - ein Ende der Ausnahmesituation ist in Sicht.

"Zeit ist der wesentlich Faktor", betonte Thomas Schaller, Vorsitzender der Selbsthilfeorganisation Glykogenese Deutschland e. V., bei der Vorführung des Films in Offenbach am Main. "Bei manchen Säuglingen vergehen zwischen Diagnose und ihrem Tod nur sechs Wochen. Schnelles Handeln ist alles."

Die Mutter aller Experimente

Ein Medikament gegen Morbus Pompe gibt es erst seit 2006. Entwickelt wurde es von dem auf seltene Erkrankungen spezialisierten Biotechnologieunternehmen Genzyme, das der Film-Firma Zymagen als Vorbild diente. Crowley und Stonehill dagegen gibt es wirklich, und ihre Geschichte hat sich - abgesehen von den hollywoodtypischen "Verdichtungen" - tatsächlich so zugetragen. Auch der im Film "Mutter aller Experimente" genannte Auswahlprozess, bei dem von Zymagen vier potenzielle Wirkstoffkandidaten gegen Morbus Pompe getestet werden, ist keine Erfindung, sondern Historie der Genzyme-Forschung.

"Das war eine der schwierigsten und teuersten Produktentwicklungen in der Firmengeschichte", erläuterte Martina Ochel, Geschäftsführerin von Genzyme Deutschland, bei der Preview in Offenbach und verdeutlichte, dass die Wirklichkeit der Fiktion in nichts nach stand.

Von 2002 bis 2006 liefen die klinischen Studien. "Weltweit gab es nur sieben Zentren, die diese Studie vornehmen konnten", so Ochel. Doch nicht überall habe es auch Patienten gegeben, die an Morbus Pompe leiden. "Deshalb haben wir Patienten über Kontinente umgesiedelt - das war nicht nur für die betroffenen Kinder und ihre Familien, sondern auch für uns eine absolute Ausnahmesituation." Heute gebe es weltweit 1000 Patienten, die mit dem Medikament behandelt werden.

Nicht alle Patienten sprechen auf die Therapie an

Das Drama um die Familie Crowley, von Regisseur Tom Vaughan bewegend in Szene gesetzt, entlässt die Zuschauer mit einem Happy End. Doch nicht jede betroffene Familie hat wie die Crowleys Glück im Unglück.

Denn auf die Enzymersatztherapie sprechen zwar viele, aber längst nicht alle Patienten an. "Am bisherigen Erfolg haben viele Menschen mitgewirkt, die gemeinsam auf eine lange Reise gegangen sind", schloss Patientenvertreter Thomas Schaller und fügte mit Blick auf die weniger glücklichen Patienten hinzu: "Und diese Reise ist noch nicht zu Ende."

Morbus Pompe Morbus Pompe gehört zu den Glykogenosen (Typ IIa und b), weltweit leiden zwischen 5000 und 10 000 Patienten an dieser Krankheit, sowohl Kinder als auch Erwachsene. Bei Pompe-Patienten besteht ein völliger oder teilweiser Mangel an dem Enzym Saure Alpha-Glucosidase (GAA). Dieses Enzym ist für den Abbau von Glykogen erforderlich. Bei Betroffenen sammelt sich in den Muskelzellen Glykogen an, wodurch es zu einer Schwächung und Schädigung der Muskulatur kommt. Schreitet die Krankheit fort, treten Atemwegsstörungen auf, es kommt zu Einschränkungen der Beweglichkeit und zur Vergrößerung der Organe. Kinder, die unter Morbus Pompe leiden, haben ohne Behandlung eine durchschnittliche Lebenserwartung von neun Jahren. (Smi)

Informationen zur Selbsthilfegruppe Glykogenose Deutschland e. V. finden Sie im Internet unter www.glykogenose.de, Infos zum Biotechnologieunternehmen Genzyme unter www.genzyme.de

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