Verletzte Profikicker - warum, wie oft, wie lange?

Alle Jahre wieder: Beim Start zur Fußball-Bundesliga sind viele Spieler nicht einsatzfähig. Eine Studie liefert Erkenntnisse über Verletzungen im deutschen Profifußball.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Schlüsselspieler in ihren Teams, die beim Bundesliga-Auftakt verletzt ausfallen: Arjen Robben (Bayern München, links) und Naldo (Werder Bremen), hier im Zweikampf beim DFB-Pokalfinale am 15. Mai.

Schlüsselspieler in ihren Teams, die beim Bundesliga-Auftakt verletzt ausfallen: Arjen Robben (Bayern München, links) und Naldo (Werder Bremen), hier im Zweikampf beim DFB-Pokalfinale am 15. Mai.

© MIS/imago

Borussia Dortmunds Außenverteidiger Dede hat sich einen Anriss der vorderen Syndesmose im rechten Sprunggelenk zugezogen. Werder Bremens Innenverteidiger Naldo klagt seit Wochen über anhaltende Knieprobleme, Bayern Münchens Stürmer Arjen Robben fällt wegen eines Muskelbündelrisses aus (wir berichteten), der im Vorfeld für viel Aufregung gesorgt hat. Dede, Naldo, Robben - drei von vielen verletzten Spielern, die nicht dabei sind, wenn die Fußball-Bundesliga an diesem Wochenende in eine neue Saison startet.

Ist die Verletzungsmisere einfach nur Pech oder spiegelt sie den normalen Wahnsinn im Profifußball?

Im Durchschnitt fallen pro Verein und Saison tatsächlich drei Fußballprofis verletzungsbedingt aus, wie eine Studie des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes ergeben hat. Für ihre Untersuchung werteten Professor Tim Meyer, Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalelf, sein Mitarbeiter Dr. Oliver Faude und ein Diplomand in der Bundesligasaison 2004/2005 sämtliche relevanten Artikel der Fußball-Zeitschrift "Kicker" aus und glichen die Plausibilität der Daten mit denen aus anderen Medien ab ("Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin" 6, 2009, 139). "Die Studie ist besonders interessant, weil direkt gewonnene Daten zur Verletzungshäufigkeit, die von den medizinischen Abteilungen stammen, bislang für den deutschen Profifußball nicht verfügbar sind", so Meyer.

Die wichtigsten Ergebnisse: In der untersuchten Saison sind bei jedem Verein im Schnitt drei Spieler wegen Verletzungen ausgefallen. "Von insgesamt 471 eingesetzten Spielern mussten 392 wegen Verletzungen pausieren. Das sind 83 Prozent", so Meyer. Gezählt wurden insgesamt 1187 Verletzungen. 441 Verletzungen traten im Spiel auf, was zu einer Inzidenz von 37,5 Verletzungen pro 1000 Spielstunden führt.

Die Ausfallzeiten der Fußballer betrugen im Durchschnitt etwa zwei Wochen. Insgesamt ergibt sich eine Ausfallzeit von 997 Tagen pro Verein, was drei Spielern entspricht. Die Ausfallzeiten kamen die Vereine teuer zu stehen. "Die genaue Höhe der Gehälter geben die Vereine natürlich nicht bekannt", schränkt Teamarzt Meyer ein. "Aber wenn drei Spieler über eine Saison fehlen, kommen wir schnell in den Bereich mehrerer Millionen Euro."

76 Prozent aller Verletzungen traten an den unteren Extremitäten auf, wobei Oberschenkel (N=222), Knie (N=197) und Sprunggelenk (N=166) am häufigsten betroffen waren. 144 Verletzungen (zwölf Prozent) führten zu einer Ausfallzeit von mehr als vier Wochen, 45 Prozent dieser schweren Verletzungen traten am Knie auf. Zum Ende von Vor- und Rückrunde konnte ein Anstieg der Verletzungshäufigkeit beobachtet werden.

Die meisten Verletzungen geschehen während des Trainings. "Die Spieler verbringen mehr Zeit im Training als im Spiel, deshalb sind insgesamt mehr Trainings- als Spielverletzungen zu beklagen", erklärt Oliver Faude, der die Datenaufnahme leitete. "Rechnet man das allerdings auf eine Einsatzstunde herunter, ist der Wettkampf viel gefährlicher."

Die Berufsfußballer in Deutschland, den Niederlanden, Skandinavien und England sind viel häufiger verletzt als in den südeuropäischen Ländern. Das erklären die Saarbrücker Sportmediziner mit den klimatischen Bedingungen. "Im Winter ist es bei uns kälter als in Südeuropa", so Meyer. "Deshalb steigt vermutlich die Verletzungsgefahr." Außerdem spielten etwa die spanischen Kicker weniger körperbetont als die deutschen und englischen Profis.

Einen Zusammenhang zwischen der Verletzungshäufigkeit und den Erfolgen der Vereine in der Saison 2004/2005 konnten die Saarbrücker Sportmediziner nicht feststellen. Den Profivereinen empfehlen sie präventive Maßnahmen wie etwa gezieltes Krafttraining und Stabilisationsübungen. "Investitionen in solche Maßnahmen lohnen sich für die Klubs auch finanziell", ist Meyer überzeugt. "Es ist auch festzustellen, dass die Vereine inzwischen mehr Fitnesstrainer eingestellt haben."

Aktuell befassen sich die Saarbrücker Sportmediziner im Auftrag des DFB und der Deutschen Fußball-Liga mit der Frage, ob und wie sich eine Verkürzung der Winterpause auf die Verletzungshäufigkeit auswirkt. Für diese Studie haben die Vereinsärzte ihre Kooperation zugesichert, so dass Meyer und Kollegen nicht ausschließlich auf Medienberichte zurückgreifen müssen.

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