Bergmann: "Meine Bergbrüder kamen mir zu Hülffe..."

Die Knappschaft ist die älteste Sozialversicherung der Welt. Eine Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum Bochum gibt bemerkenswerte Einblicke in die Geschichte der Knappschaft, die in diesem Jahr 750 Jahre alt wird.

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"Geburtsurkunde" der Knappschaft, 1260.

"Geburtsurkunde" der Knappschaft, 1260.

© Stadtarchiv Goslar

BOCHUM (eb). …da war nichts als Feuer um mich herum und ein Stück Gestein traf mir das lincke Bein, so dass es zweymahl gebrochen … auch meine Augen so beschädigt waren, das ich kein Licht mehr sehen konnte …Meine Bergbrüder … kamen mir zu Hülffe …einer…brachte mich auf die Strecke…Meine anderen Bergbrüder…warteten meiner, hielten mich umarmt von beyden Seiten…

Dies berichtet der Bergmann Ernst Christian Wiegand aus St. Andreasberg im Harz über einen schweren Unfall, den er beim Sprengen mit Schwarzpulver 1795 erlitt. Es dauerte sechs Monate, bis er in der Erzaufbereitung wieder eine leichte Arbeit aufnehmen konnte.

Dass der Unfall die Familie nicht ins Elend stürzte, war Wiegands "Bergbrüdern" und ihrer Solidarorganisation, der Knappschaft, zu verdanken. Sie zahlte ihm "Gnadenlohn" während der Heilungsphase. Die Lasten aus dem Bergmannsberuf und seinen Risiken wurden auf alle Schultern verteilt, nur so konnte man sie stemmen.

Die Geschichte der Knappschaft wird zur Zeit in einer Ausstellung im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum lebendig, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft - Bahn -See realisiert worden ist.

Der Beruf des Bergmannes ist und war immer gefährlich. Insbesondere zu Beginn des Bergbaus im Mittelalter. Die Bergleute wussten nicht, was sie im Dunkeln unter Tage erwartete und ob sie jemals wieder das Tageslicht erblicken würden. Daher waren sie fromme Leute und beteten, dass sie unbeschadet und unversehrt das Tageslicht wiedersahen. So finden sich auf den frühen Bergwerken immer auch Kapellen, in denen nach Ein- und Ausfahrt von einem Pfarrer Andachten abgehalten wurden.

Das Kerzenlicht in den Kapellen und die Bezahlung des Pfarrers wurde von den Bergleuten selber sichergestellt. Daneben wurden "Büchsenpfennige" erhoben, die in die Knappschafts- oder Bruderschaftskasse flossen und unmittelbaren Unterstützungsleistungen dienten.

Die "Büchsenpfennige" sind von Anfang an für den Zweck erhoben worden, um kranken und berufsunfähigen Bergleuten sowie deren Witwen und Waisen zu helfen. Die erste Sozialfürsorge war geboren - zwar noch unsystematisch und unregelmäßig eher auf der Basis von Almosen, sozusagen nach Kassenlage, aber organisiert und mit dem Willen zur sozialen Hilfe. Später regelten dann Bergordnungen mit regelmäßigen Pflichtbeiträgen die Unterstützung der Bergleute bei Krankheit und Invalidität sowie die Versorgung der Hinterbliebenen.

Die Jubiläums-Ausstellung der Knappschaft in Bochum läuft bis März 2011.

Die Wiege der Sozialversicherung steht, wie in der Bochumer Ausstellung zu erfahren ist, in Goslar. Die Bergleute am dortigen Rammelsberg hatten sich, wie es in jener Zeit üblich war, zu hauptsächlich religiösen Gemeinschaften zusammengeschlossen, die aber auch sozialkaritative Aufgaben wahrnahmen. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Bruderschaften im Bergbaubereich noch älter sind, aber es gibt bis heute keine auffindbare Urkunde darüber.

Der Hildesheimer Bischof Johann I. von Brakel sicherte in einer Urkunde vom 28. Dezember 1260 der St. Johannis Bruderschaft am Rammelsbereg bei Goslar seinen Schutz zu. Die Bruderschaft war zur Unterstützung kranker und verletzter Bergleute und deren Hinterbliebenen gegründet worden.

Der Name "Knappschaft" entstand offenbar erst etwas später. Im Jahr 1426 wird erstmals die Belegschaft des sächsischen Bergbaureviers zu Freiberg als "dy knabschafft" bezeichnet. 1479 wird die Knappschaft in der Bergordnung für Schneeberg genannt. 1496 gründeten Bergleute im Erzgebirge die Stadt Annaberg und zwei Jahre später eine "Knappschaft".

Die Annaberger Knappschaft errichtete 1521 in der St. Annenkirche im heutigen Annaberg-Buchholz einen Altar, auf dessen Rückseite bergmännisches Leben dargestellt ist und in dessen Mitte sich der Schriftzug "Knappi" in Anlehnung an die Daniel-Legende und den Bergmann "Knappius" befindet. Der Altar ist noch heute dort zu besichtigen.

Auch in anderen europäischen Ländern und Regionen, wie beispielsweise in Österreich, in Elsaß-Lothringen und in Schlesien, wo Bergbau betrieben wurde, haben sich frühzeitig Knappschaften gebildet und die dortige Sozialgeschichte nachhaltig beeinflusst.

Zu den Gründern von den in Deutschland ersten weltlich geführten Krankenhäusern gehörten auch vereinzelt regionale Knappschaften. Eine Urkunde aus dem Jahr 1294 sowie spätere Ausgrabungen bestätigen erstmals die Existenz des St. Johannis-Hospitals in Goslar für erkrankte oder verletzte Bergleute. Ein frühes Hospital ist urkundlich auch auf dem Kupferberg bei Hettstedt belegt. Sicherlich zählten die Knappschaften auch darum zu den Pionieren der weltlichen Hospitalgründungen, weil der Beruf des Bergmannes besonders gefährlich war

In den vergangenen Jahren hat das Deutsche Bergbau-Museum Bochum (DBM) als Federführer im Rahmen eines Projektes mit anderen Forschungseinrichtungen die Geschichte der Knappschaft, der Bahnsozialversicherung und der See-Sozialversicherung erforscht.

Die umfangreichen Forschungsergebnisse zur Entwicklung der Knappschaft seit dem Jahr 1260 gehen nun in eine Sonderausstellung des DBM ein, die bis zum Frühjahr 2011 zu sehen ist.

http://knappschaft-ausstellung.bergbaumuseum.de/

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