Fleischlos essen - viele Bremer machen mit

Seit über einem Jahr verzichten immer mehr Menschen in der Hansestadt Bremen einmal pro Woche auf Fleisch. Auch in großen Kliniken gibt es inzwischen einen fleischlosen Tag in Kantinen und beim Patientenessen.

Von Eckhard Stengel Veröffentlicht:
Gemüse vom Wochenmarkt - in Bremen wird das Interesse am Veggiday immer größer.

Gemüse vom Wochenmarkt - in Bremen wird das Interesse am Veggiday immer größer.

© Yuri Arcurs / fotolia.com

BREMEN. Nein, die Welt haben sie bisher noch nicht gerettet, jene Bremer Köche, die jeden Donnerstag fleischlos brutzeln. Aber immerhin haben sie mit ihrem "Veggiday" einen Stein ins Wasser geworfen, der inzwischen bundesweit Kreise zieht.

Auch Bremer Kliniken beteiligen sich an dem allwöchentlichen Vegetariertag, seitdem die "Bürgerstiftung Bremen" ihn vor gut einem Jahr erstmals ausgerufen hat. Ziel der Aktion: mit bewussterer Ernährung das Klima schützen.

Die Welternährungsorganisation FAO warnt schon lange vor den Folgen der Fleischproduktion. Denn dafür werden zum Beispiel klimaschützende Regenwälder abgeholzt, damit dort Viehweiden entstehen oder Futterpflanzen angebaut werden können.

Außerdem produzieren Kühe beim Verdauen erhebliche Mengen Methan. Nach Angaben von Wissenschaftlern ist dieses Gas 25-mal so schädlich wie Kohlendioxid. Eine rülpsende und pupsende Kuh belaste das Klima demnach genauso wie ein Personenauto mit einer Fahrleistung von 14 000 Kilometern pro Jahr, sagen die "Veggiday"-Leute.

Angestoßen wurde die Aktion vor allem von der pensionierten Hörfunkredakteurin Christiane Schwalbe. Bei einem Besuch im belgischen Gent stieß sie auf den dortigen "VeggieDag". Zurück in Bremen, überzeugte sie davon nicht nur die Bürgerstiftung, sondern auch Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD): Der Bürgermeister übernahm die Schirmherrschaft. Und verzichtet seitdem selber donnerstags auf Fleisch.

Schnell ließen sich auch die städtischen Kindergärten und Altenheime mit insgesamt 104 Standorten auf das Experiment ein. Auch einige Schulen machen inzwischen mit. Im Spätsommer schloss sich zudem der kommunale Klinikverbund Gesundheit Nord dem Projekt an:

In den Kantinen und auf den Stationen gibt es seitdem einmal pro Woche - in diesem Fall freitags - kein Fleisch mehr, sondern stattdessen drei vegetarische Essen und ein Fischgericht. Über Proteststürme von Fleischliebhabern wurde bisher nichts bekannt.

Private Lokale halten sich dagegen zurück. Nur eine Handvoll Restaurants ist dem Aufruf gefolgt, und auch nicht immer mit letzter Konsequenz: Fleischgerichte verschwinden donnerstags meist nicht ganz von der Speisekarte.

Wie viel Treibhausgase die Bremer im ersten Aktionsjahr eingespart haben, lässt sich nicht seriös abschätzen. Auch nicht, wie viele Privathaushalte mitmachen. "Wer körperlich arbeitet, isst Fleisch - logisch", sagt Initiatorin Schwalbe.

"Wir erreichen eher die Mittelschicht, die Aufgeklärten". Aber auch dort gibt es Widerstände: "Essen ist Privatsache, und die Leute wollen sich nichts verbieten lassen. Außerdem haben sie Angst vor Dogmatismus", sagt Schwalbe. Dabei wollen sie und ihre Mitstreiter überhaupt nichts verbieten, sondern Lust machen auf gutes, vegetarisches Essen.

Schwalbe selbst ist weder Vegetarierin noch militante Tierschützerin. "Wir wollen nur zeigen: Klimaschutz beginnt auf dem Teller, kostet nichts, ist gesund, schmeckt lecker, und Ihr könnt noch heute damit anfangen." Insofern sei das eine "Aktion mit ungeheurem Symbolwert".

Auch Bürgermeister Böhrnsen findet: "Der Veggiday ist ein sensationeller Erfolg: Es sind zwar kleine Schritte für das Klima, aber das Motto gilt: global denken, lokal handeln."

Die Hansestadt hat dafür sogar eine Auszeichnung erhalten: Die Tierrechtsorganisation Peta ernannte Bremen zur tierfreundlichsten Stadt des Jahres 2010.

Was Christiane Schwalbe aber viel mehr freut: Inzwischen haben sich Initiativen und Behörden aus rund 50 anderen Kommunen bei den Bremern danach erkundigt, wie sie am besten selber einen "Veggiday" propagieren können.

"Sogar zwei Landräte aus Österreich haben angefragt", erzählt die Organisatorin. Mittlerweile gibt es in Deutschland laut Schwalbe mehr als ein Dutzend Städte, in denen zum Beispiel die Grünen oder private Initiativen für den Vegetariertag werben.

Eine Volksbewegung sei das natürlich noch nicht, räumt die Bremerin ein. "Aber ich glaube fest daran. Man muss nur - ähnlich wie die Nichtraucherschutz-Bewegung - einen langen Atem haben." Und natürlich leckere Rezepte.

www.veggiday.de

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