Die Koffer für die letzte Reise sind gepackt

Was würden Menschen mitnehmen, wenn die letzte große Reise des Lebens beginnt? Eine Wanderausstellung liefert bemerkenswerte Einblicke - auch über Wertewelten.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Alles drinnen für den großen Abschied. Koffer von Lilo Rühl, Reisespezialistin, Gunther von Hagens, Arzt und Plastinator, Michael Berger, Künstler (v.l.)

Alles drinnen für den großen Abschied. Koffer von Lilo Rühl, Reisespezialistin, Gunther von Hagens, Arzt und Plastinator, Michael Berger, Künstler (v.l.)

© Jochen Lübke / dpa

BREMEN. "Ich möchte nicht in Frieden ruhen" - Plastinator und Körperspender Dr. Gunter von Hagens ist einer der wenigen, die auch nach ihrem Tode nützlich bleiben möchten, in diesem Falle als "Objekt von Wissbegier und Aufklärung", wie er schreibt.

Von Hagens Koffer ziert ein plastiniertes Ferkel und eine Reihe von präparierten Körperquerschnitten. Von Hagens ist einer von 103 Menschen, die auf die Bitte des Bestatters Fritz Roth aus Köln ihren Koffer für die letzte Reise gepackt und ein paar Worte als Kommentar dazu geschrieben haben.

Der Förderverein Palliativstation am Klinikum Links der Weser e.V. hat die Wanderausstellung "Ein Koffer für die letzte Reise" im Rahmen des 7. Bremer Kongresses für Palliativmedizin nach Bremen geholt. Rund 400 Menschen besuchten die Eröffnung.

Servus! Ein Skelett winkt dem Leben leise zu. Koffer von Dorothea Heidorn, "made in Germany 1947".

Servus! Ein Skelett winkt dem Leben leise zu. Koffer von Dorothea Heidorn, "made in Germany 1947".

© Christian Beneker

Wie Grabmale stehen die Koffer aufgereiht auf Podesten, im Deckel die Kommentare wie Epitaphe. Vertriebsleiter Dr. Christian Kauer mag sich nicht trennen von der Welt der Lebenden. Damit er in der Ewigkeit nicht die Welt vergisst, die er verlassen musste, packte er Laptop, Enzyklopädie, sogar Smoking und Zahnbürste ein.

Ein anderer Mensch möchte mit dem Tod die Existenzform wechseln und schreibt in den Deckel seines letzten Koffers: "Da ich mir wünsche, als Mensch eine Runde auszusetzen, werde ich, wenn alles gut läuft, als Raubvogel oder als Katze wiedergeboren werden."

 Im Koffer: nichts als eine Maus - quasi als Wegzehrung für die neue Existenz. Dorothea Heidorn, "made in Germany 1947", zitiert einen Psalm. "Lass' uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." In ihrem Koffer winkt ein Skelett dem Leben leise: "Servus".

2005 schon verschickte Roth die Koffer deutschlandweit an 103 Menschen. Seine Aufgabenstellung: Stell' dir vor, heute wäre deine letzte Reise. Betrachte dein Leben und nimm das mit, was dich unverwechselbar macht. Nützliches und Religiöses, Amüsantes und Pragmatisches haben die Reisenden eingepackt: ein schlichtes Kreuz oder einen Spiegel quasi als: "Erkenne dich selbst".

"Ich rate allen, den Tod persönlich zu nehmen", erklärt der Bestatter Roth seine Idee, "denn wer sich des Todes persönlich annimmt, kann sich auch den Herausforderungen des Lebens annehmen." Dass tatsächlich nur wenige dieser Empfehlung folgen mögen, musste auch Roth feststellen.

Rund 6000 Menschen hat er für seine Ausstellungsidee per E-Mail angeschrieben, viele haben gar nicht erst geantwortet - 103 hat er schließlich ausgesucht.

Auch Prominenz ist dabei - sowohl bei den Ablehnenden als auch bei denen, die ihren letzten Koffer packten. So schickte Franz Alt seinen Koffer leer zurück: "Wer glaubt, etwas mitnehmen zu können, wird sich wahrscheinlich sehr wundern."

Stationen der Schau: 18. September bis 5. Oktober 2011, Pfarrkirche St. Gervasius und Protarius, in 53332 Bornheim-Sechtem. Oktober/November 2011: Karmelitersaal, Karmeliterstraße, 80333 München.

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